Ein Geheimbund für Berlusconi

Arbeitsgruppe Cesare

Die Partei von Berlusconi wird von einem Korruptionsskandal erschüttert, von dem sie sich schwerlich erholen wird.

An suggestiven Bezeichnungen für den jüngsten Skandal in der italienischen Politik fehlt es in den Medien derzeit nicht. Berichtet wird über die Enthüllung einer »Geheimloge«, P3 genannt, in Anlehnung an die berüchtigte P2, der in den siebziger und achtziger Jahren einflussreiche Persönlichkeiten der italienischen Politik, Wirtschaft, des Geheimdienstes und des Militärs angehörten, welche sämtliche Machtstrukturen der Republik kontrollierten. Auch von einer neuen Cupola, wie das Führungsgremium der Mafia genannt wird, oder von einem »Kartell« berichten die italienischen Medien seit vergangener Woche. Starke Bilder, die alle dasselbe meinen: eine Korruptionsaffäre nach bester italienischer Tradition. Die Pro­ta­gonisten sind hochrangige Politiker aus der Partei von Silvio Berlusconi, dem Volk der Freiheit (PDL). Ihnen wird vorgeworfen, einen Geheimbund gebildet zu haben, um Einfluss auf politische Entscheidungen, Wirtschaft und Justiz zu nehmen. Ermittelt wird unter anderem gegen den in der vergangenen Woche zurückgetretenen Wirtschaftsstaatsekretär Nicola Cosentino und den obersten Koordinator des PDL, Denis Verdini, sowie gegen einen alten Bekannten der italienischen Anti-Mafia-Ermittler: Senator Marcello dell’Utri. Dieser wurde Ende Juni in zweiter Instanz wegen seiner Mafia-Verbindungen zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Angefangen hatte alles scheinbar harmlos mit den Ermittlungen gegen den Unternehmer Flavio Carboni. Er hatte mit Schmiergeldzahlungen an die Regionalregierung in Sardinien versucht, die Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage in einem Naturschutzgebiet zu erkaufen. Keine ungewöhnliche Praxis in der italienischen Geschäftswelt. Den Ermittlern wurde jedoch schnell klar, dass Carboni kein gewöhnlicher Unternehmer ist, und sie vermuteten hinter dem Fall mehr als gewöhnliche Korruption. Carboni soll in den siebziger und achtziger Jahren führendes Mitglied der P2 gewesen sein. Die Staatsanwälte erklärten, sie seien auf einen Geheimbund von Politikern und Unternehmern mit Verbindungen zur Mafia gestoßen, der weit umfangreichere Absichten als nur Bestechung verfolgt habe. Die Unterwanderung der öffentlichen Institutionen, die Einflussnahme auf politische Beschlüsse, wirtschaftliche Prozesse und die Wahl prominenter Politiker sollen dazu gehört haben. Das Ziel: die Interessen des Ministerpräsidenten zu schützen und sein Machtsystem aufrecht zu erhalten.
In dieser Hinsicht kann man die »neue P3« als eine Arbeitsgruppe innerhalb des PDL betrachten. Einer der schwersten Vorwürfe gegen die Berlusconi-Männer betrifft den Versuch, auf das Verfassungsgericht Einfluss zu nehmen. Im vergangenen Herbst prüfte das Verfassungsgericht ein umstrittenes Gesetz, das unter dem Namen Lodo Alfano bekannt wurde. Es handelte sich um ein Immunitätsgesetz, das es dem mehrfach angeklagten italienischen Ministerpräsidenten ermöglichen sollte, Prozessen zu entgehen. Der Versuch der Einflussnahme scheiterte, das Gesetz wurde für verfassungswidrig erklärt.
Die Ermittler stützen sich in diesem wie in weiteren Fällen auf Abhörprotokolle von Telefonaten zwischen Verdini, Dell’Utri, Martino und anderen Beteiligten, die in den Tagen vor dem Urteil eifrig daran arbeiteten, Kontakt mit den Verfassungsrichtern aufzunehmen. 23 Mal taucht dabei ein Namen auf: Cesare, der Auftraggeber. Wurde Cesare informiert? Was sagt Cesare dazu, wird er zufrieden sein? Die Ermittler gehen davon aus, dass dieser »Cäsar« Berlusconi ist. Der Ministerpräsident beeilte sich, die abgehörten Telefonate als misslungenes Fake zu bezeichnen.
Und in der Tat lesen sich die Protokolle der teilweise im neapolitanischen Dialekt abgehaltenen Telefonate wie eine Politsatire. Die Regierung ist mit ihrer Absicht, die Veröffentlichung brisanter Abhörprotokolle per Gesetz zu verbieten, nicht durchgekommen. Noch nicht, die Abgeordnetenkammer wird nach dem Sommer darüber abstimmen. Dass sich die bereits von internen Streitereien geschwächte Partei des italienischen Premiers bis dahin erholt hat, wird immer unwahrscheinlicher.