Fährt nicht mehr mit der Deutschen Bahn

Ich und die Bahn

Im Winter fallen Züge wegen Kälte, im Sommer wegen Hitze aus. Eine Reise mit der Deutschen Bahn ist zu jeder Jahreszeit eine Herausforderung.

Dass die Bahn ihr Angebot erweitert hat und Fahrgästen neben Demütigung und Abzocke auch Hitzschläge und Ersticken anbietet, war mir bis vor kurzem nicht bekannt, verdient aber Anerkennung.
Eigentlich ist ja die professionelle Demütigung das Spezialangebot der Deutschen Bahn. In dieser Spielart ist das Unternehmen unübertroffen. Es geht los mit dem Heraussuchen möglichst irrer Streckenverbindungen, dem pikanten Hinweis auf die Unvermeidlichkeit mehrfachen Umsteigens in möglichst kurzer Zeit – der soften Variante für all die, die sich noch nicht zutrauen, sich der Spezialbehandlung der Deutschen Bahn zu unterziehen, aber am Schalter mal gern so richtig runtergeputzt werden wollen: »Sitzplatz gibtetnich’!«, »Da hamse zwee Minuten zum Umsteigen in Finsterwalde, wennse dit nich’ schaffen, hamse sechs Stunden«, »Hier bestimme icke!«, »Fahr’nse eben mit’m Taxi!«
Bitte, Danke, Guten Tag, derlei Wortgeplänkel ist für Weicheier. Zivilisatorische Mindeststandards wurden hier nie eingeführt. Mit der Deutschen Bahn habe ich Dinge erlebt, die ich meinen ärgsten Feinden nicht wünsche: Ich sah hilflose Touristen, die ihre Anschlusszüge verpasst haben und nachts stundenlang mit hungrigen und traumatisierten Kleinkindern auf einem zugigen Bahnsteig ausharren mussten. Niemand war in der Lage, Durchsagen auf Englisch zu machen, und auf die Frage, was man seitens der Bahn zu tun gedenke, bekamen die Leute nichts als ein lautes Hohnlachen zur Antwort.
Ich selbst und 15 andere Fahrgäste wurden einmal, als der Zug auf offener Strecke mitten in der tristesten Ostzoneneinöde unplanmäßig unvermittelt anhielt, aus dem Waggon getrieben mit den Worten: »Alle raus! Der Zug fährt nicht weiter!« Mitsamt unseres Gepäcks bugsierte man uns über die Gleise und scheuchte uns zur nächsten Straße: »Da lang! In zehn Minuten erreicht ihr den nächsten Bahnhof, da geht ihr dann zum Service-Point!« Dort angekommen, erklärte man uns kalt lächelnd, von hier aus fahre kein Zug in die gewünschte Richtung, es verkehre im Übrigen gar kein Zug, schon gar nicht für unsereins, und wenn doch, so gälten ganz gewiss unsere »Billigtickets« nicht, die mit abschätzigem Blick betrachtet wurden. Einmal habe ich für eine Bahnfahrt im ICE von Berlin nach Heilbronn 18 qualvolle Stunden gebraucht, zwischen anderen Unglückseligen eingekeilt, auf dem Boden auf Gepäckstücken kauernd, morgens um drei Uhr kam ich über diverse Umwege in Stuttgart an. »Vun hier aus goat’s nemma weida. Erschd morga widda.« – »Ja, und was mache ich jetzt?« – »Mir egal.«. Das Image der Deutschen Bahn sei zu schlecht, heißt es immer wieder. Das stimmt nicht. Wenn es eine Hölle gibt, davon bin ich überzeugt, müssen alle tagein, tagaus mit der Deutschen Bahn fahren. Auf jede Bitte, jede Beschwerde wird Ihnen ein Bahnscherge mit stählerner Ignoranz antworten oder einem Blick, der sagt: »Dich kriegen wir auch noch klein.« Ich fahre seit über zehn Jahren nicht mehr mit der Deutschen Bahn. Ich habe vergleichsweise spät festgestellt, dass das nicht die Art Perversion ist, zu der ich neige. Wenn mir jedoch wider Erwarten der Sinn danach steht, behandelt zu werden wie eine Küchenschabe, weiß ich nicht erst seit letzter Woche, wo die Profis zu finden sind.