Roboter und Kapitalismus

Wir sind die Roboter

Die Robotik führt uns die Albträume des verdinglichten Bewusstseins vor Augen.

Etymologisch betrachtet, haben Roboter und Arbeiter dieselbe Bedeutung. Ursprünglich war »Arbeit« eine Bezeichnung für die Tätigkeit von Unselbständigen (Sklaven) oder »sprechenden Werkzeugen« (Aristoteles) und daher identisch mit Leiden. Vorbereitet von der christlichen Leidensmetaphysik mit ihrem (strukturell männlichen) »Kultus des abstrakten Menschen« (Marx), wurde diese negative Bestimmung vom Protestantismus ins Gegenteil verkehrt, glorifiziert und gleichzeitig aus der religiösen Mutation ins weltliche Leben zurückübersetzt. Die neue kapitalistische Produktionsweise verhalf der »Arbeit« zu einer großen Karriere. Positiv und universell gültig konnte sie nur werden als Produktion eines verselbständigten »abstrakten Reichtums« (Marx). Es handelte sich jetzt nicht mehr um die allgemeine Bestimmung dessen, was »der Sklave tut«, sondern um den allen Produktionsinhalten gegenüber gleichgültigen Verbrauch von menschlicher Energie schlechthin: »abstrakte Arbeit« (Marx), verdinglicht zur »Substanz« des Geldes. Aber nicht für den Genuss, sondern in der Form des Kapitals rückgekoppelt auf sich selbst als endloser Imperativ, aus einem Taler, Euro, Dollar usw. zwei zu machen. Die »freien« Individuen verwandelten sich in »sprechende Werkzeuge« oder »Robotniks« für diesen gesellschaftlichen Selbstzweck, indem die »Arbeitskraft« zur Ware und erst dadurch der Markt zum totalitären Verhältnis wurde.
Aber die Reduktion der Individuen auf Verbrennungsmaschinen abstrakt-menschlicher Energie bildet nicht die einzige energetische Basis des Kapitalismus. Nicht umsonst wurde »Arbeit« im 18. Jahrhundert auch zu einem Begriff der Physik als energetisches Vektorverhältnis der entlang eines Wegs auf einen Körper einwirkenden mechanischen Kraft. Den gesellschaftlichen Hintergrund bildet die kapitalistische Anwendung der Naturwissenschaft. Die Maschine des Marktes erzwingt die Konkurrenz der Einzelkapitale um einen Anteil an der gesellschaftlichen Substanzmasse des Geldes; und darin können sie nur bestehen durch Steigerung ihrer Produktivkraft, bedingt durch den Einsatz von Maschinerie und Steuerungsaggregaten. Diese toten physikalischen »Roboter« aber bedürfen auf wachsender Stufenleiter des Antriebs durch die nicht-menschliche Energie fossiler Brennstoffe. Damit wird der Kapitalismus zu einer Verbrennungskultur im doppelten Sinne; es entfaltet sich eine Dialektik im Verhältnis des Einsatzes von menschlicher und fossiler Energie.

Hegel wusste schon in den Jenaer Frühschriften, dass die von natürlichen Brennstoffen betriebene Robot-Maschinerie sukzessive menschliche Arbeitskraft überflüssig macht, ohne diesem Problem genauer nachzugehen. Marx zeigte, dass im Prozess der Produktivkraftentwicklung der relative Anteil des maschinellen Sachkapitals gegenüber der Arbeitskraft permanent ansteigt: Je höher die Produktivität, desto weniger Verausgabung menschlicher Energie pro Geldkapital und desto größer die Verausgabung fossiler Brennstoffe. Einer Menschheit, die sich selbst zur Arbeitskraft verdinglicht hat, musste diese fortschreitende Entwicklung bedrohlich erscheinen. In einem Theaterstück von Karel Capek war 1922 erstmals von einem »Aufstand der Roboter« die Rede – ein Topos, der seither aus der Science Fiction nicht mehr wegzudenken ist und mit der Kybernetik bzw. Mikroelektronik immer neue Blüten treibt. Noch der raffinierteste Rechner besitzt nicht mehr Leben und autonome Intelligenz als ein Faustkeil. Aber das kapitalistische Fetisch-Bewusstsein erlebt seine eigenen Werkzeuge als fremde, beseelte Macht.
Tatsächlich treibt der Kapitalismus heute auf die »innere Schranke« (Marx) und den energetischen Kollaps seiner doppelten, gegenläufigen Verbrennungskultur zu. Die hypertrophe, von der Konkurrenz erzwungene tote Maschinerie kann keine Substanz des »abstrakten Reichtums« darstellen, weil diese allein auf der verdinglichten menschlichen Energie beruht. Indem es eine letztlich technologische Massenarbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Prekarisierung erzeugt, höhlt das Kapital seine eigene Substanz aus, was auf der anderen Seite als Finanzkrise und Entwertung des Geldes erscheint. Gleichzeitig erschöpft die losgelassene Selbstzweck-Bewegung mit wachsender Geschwindigkeit die Reserven fossiler Energie und beschwört die Umwelt- bzw. Klimakatastrophe herauf. Auch die stoffliche Gestalt des Maschinensystems ist blind gegenüber allen sozialen und natürlichen Inhalten.

Das kapitalistische Bewusstsein fetischisiert die tote Robotik, heute in Gestalt von Mobiltelefon und Internet, bis in die persönliche Befindlichkeit hinein. Einerseits sieht ein »ökologischer Reduk­tionismus« keinen anderen Ausweg, als das technologische Aggregat insgesamt niederzureißen und zu einer »natürlichen«, »arbeitsintensiven« Subsistenzwirtschaft zurückzukehren. Andererseits möchte ein »technologischer Reduktionismus« die Krise umgekehrt dadurch bewältigen, dass die Software-Produktion zum »Modell« einer alternativen Vollautomatisierung von allem und jedem wird, in der die ökonomischen Zwänge sich technologisch auflösen und wie im All-inclusive-Touristenparadies der Zahlungsfähigen Milch und Honig fließen. Die beiden Momente und Konsequenzen der Verbrennungskultur werden jeweils einseitig gegeneinander ausgespielt.
Wenn aber die mikroelektronische Produktivkraft an die Grenzen des Kapitalismus führt, kann die industrielle Produktion weder pauschal verworfen noch linear zur autonomen »technischen Befreiung« gesteigert werden. Beide Optionen blenden trotz teilweise gegenteiliger Beteuerungen, die aber vage und inkonsequent bleiben, das Grundprinzip der »abstrakten Arbeit« und des verselbständigten »abstrakten Reichtums« aus. Es geht darum, diese herrschende Form der universellen Vergesellschaftung zu überwinden, statt sie auf vermeintlich überschaubare ökologische oder technologische »Modelle« zurückzudrehen. Erst jenseits von »abstrakter Arbeit« und Geld (bzw. ihren utopischen Surrogaten) kann eine gesamtgesellschaftliche »Vereinigung freier Individuen« über den Einsatz der gemeinsamen Ressourcen inhaltsbestimmt entscheiden.