Die Freedom Flotilla wirbt für sich selbst mit den Namen bekannter Sportler

Casillas kommt nicht nach Gaza

Die Freedom Flotilla tut so, als ständen Sportstars Schlange, um beim nächsten Mal mit gen Gaza zu fahren.

Sieben Telefonnummern habe ich mittlerweile, davon zwei für Mobiltelefone. Doch immer, wenn ich dort anrufe, höre ich nur das Freizeichen, nicht mal eine Mailbox springt an. Die nicht Erreichbaren sind die Organisatoren der Kampagne, die gerade dabei ist, einen zweiten Schiffskonvoi nach Gaza auf den Weg zu bringen, um übers Mittelmeer die von Israel verhängte Blockade zu durchbrechen. Auf der Website der Kampagne, www.savegaza.eu, findet sich ebenfalls kein Hinweis auf die Information, die ich gerne überprüft hätte: Iker Casillas, der Torwart des Fußballweltmeisters Spanien und Real Madrids, soll seine Bereitschaft signalisiert haben, an der nächsten Flottille nach Gaza teilzunehmen.
Die einzige Antwort, die ich bekomme, ist eine E-Mail von Greta Berlin, einer der Organisatorinnen der Flottille, die mitteilt, sie wüsste auch nicht mehr, wäre »aber sehr erregt«, wenn Casillas käme.
Die Information geht zurück auf einen Sprecher der Kampagne, Rami Abdo. »Nachdem eine Reihe von Athleten ihr Interesse zum Ausdruck gebracht hat, an der Freedom Flotilla 2 teilzunehmen«, so sagte Abdo am Mittwoch vergangener Woche in Paris, »will die Europäische Kampagne in den nächsten Tagen etliche Telefonate mit sehr bekannten Sportlern führen, wie zum Beispiel dem Kapitän des spanischen Weltmeisterteams, Iker Casillas, um die Möglichkeit einer Beteiligung an der Freedom Flotilla 2 zur Beendigung der Gaza-Blockade auszuforschen.« Abdo fügte noch hinzu, dass die Gespräche im Geheimen erfolgten, da man annehmen müsse, dass Israel auf die Sportler und ihre Vereine großen Druck ausüben werde. Die Meldung wurde von der arabischen Tageszeitung al-Hayat und dem Online-Portal »Palestine Information Center« gebracht. Offensichtlich hat auch niemand Herrn Abdo die auf der Hand liegenden Nachfragen gestellt:
– Warum wird der Name des Weltklassetorwarts Iker Casillas ins Gespräch gebracht, wo doch angeblich alles so geheim ist?
– Bedenkt man die neun Toten der ersten Flottille Anfang Juni – warum sollte Casillas bei einer solch gefährlichen Mission mitmachen?
– Die zweite Flottille ist für Ende September geplant, aber am 28. August beginnt die Saison der spanischen Fußballliga, mit Iker Casillas – gehen die Organisatoren davon aus, dass Real Madrid seinem 32 Millionen Euro teuren Weltklassesportler Urlaub geben wird?
– Und warum schließlich taucht in al-Hayat und im »Palestine Information Center« auch noch der Name des Spaniers Rafael Nadal auf, einem der derzeit besten Tennisprofis und aktuelle Nummer eins der Weltrangliste?
Im Falle von Nadal könnte die Antwort nahe liegen: Der Spanier hatte sich vor anderthalb Jahren, als die israelische Armee in den von der Hamas beherrschten Gaza-Streifen einrückte, in einem Interview gegen das Engagement der Israelis ausgesprochen. Andere Äußerungen Nadals zum Thema Naher Osten finden sich freilich nicht; eine tiefere Auseinandersetzung, etwa mit der Bedeutung der Katjuscha-Raketen, die die Hamas ständig in Richtung Israel abfeuert, findet sich schon gar nicht. Gleichwohl gibt es keinen Grund, an der Authentizität von Nadals Äußerung zu zweifeln.
Verbürgt ist außerdem, dass Iker Casillas sich damals, im Januar 2009, öffentlich gegen den Militäreinsatz Israels ausgesprochen hatte. Doch anders als von Nadal ist von Casillas mittlerweile zusätzlich ein aktuelles Zitat im Umlauf. »Es ist unmöglich für die Menschen, an den Feiern teilzunehmen, nachdem man gesehen hat, was im Gaza-Streifen passiert«, soll er jüngst gesagt haben – die Feiern, die er gemeint haben soll, waren der Empfang der spanischen Weltmeister­elf in Madrid bei König Juan Carlos und andere WM-Feierlichkeiten in der spanischen Hauptstadt. Einen Beleg für diesen Satz finde ich in der spanischen und internationalen Presse nicht. Casillas’ Berater, Ginés Carvaja, der Auskunft geben könnte, macht, was die Berater von Fußballern in Fällen, in denen ihre Schützling in politische Debatten involviert werden könnten, meist tun: nichts, schon gar nicht antworten. Was ich aber sehr wohl finde, sind Bilder eines fröhlich lachenden Iker Casillas beim Feiern des WM-Erfolgs.
Die Recherche zusammengefasst: Es gibt die Äußerung eines Vertreters der Kampagne für eine Gaza-Flottille, wonach mit bekannten Sportlern, unter anderem Iker Casillas, über eine Teilnahme im September gesprochen werden würde. Es gibt für mich leider keine Möglichkeit, bei der Kampagne oder bei den Sportlern nachzufragen. Aber es gibt zumindest zwei Indizien, die die gestreute Information fragwürdig erscheinen lassen: Zum ersten hat Casillas Ende September Fußball zu spielen; zum zweiten war er sehr wohl bei den WM-Feiern.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier bekannte Sportler für eine politische Kampagne funktionalisiert werden. Und genau dazu gibt es eine Parallele: Anfang Dezember 2009 meldete die israelische Boulevardzeitung Yedioth Acharonot, der frühere französische Weltklassefußballer Zinédine Zidane wolle im März 2010 als Unicef-Botschafter den Gaza-Streifen besuchen. »Die Menschen dort haben schwere Verluste, Schäden und Verletzungen durch die israelischen Gewaltakte erlitten«, wurde Zidane dort zitiert. Er aber wolle dafür sorgen, dass die Bewohner wieder Grund zu einem »großen Lächeln« hätten.
Auch Rafael Nadal und Iker Casillas hatten in ihren Stellungnahmen vom Januar 2009 über die Kinder im Gaza-Streifen gesprochen. Und ähnlich wie in den damaligen Äußerungen der beiden Spanier ist auch in dem Satz des Franzosen kein Skandal zu erblicken: Das israelische Militär hat wirklich großen Schaden im Gaza-Streifen angerichtet, den Kindern geht es in der Tat schlecht, und ihnen zu helfen ist allemal humanitäre Verpflichtung.
Doch die Meldung vom helfenden Zidane, die so viele Ähnlichkeiten mit der jüngsten Meldung von den schiffsreisenden Casillas und Nadal aufweist, erwies sich als falsch: Die Uno dementierte, und auch Zidane ließ durch sein Management knapp mitteilen, er sei zur genannten Zeit nicht in Gaza. Dass es eine Fälschung war, hat eine andere israelische Zeitung herausgefunden, die Jerusalem Post. Wer die Ente in die Welt gesetzt hatte, ist nicht bekannt, auf Nachfragen bei der Uno war zu erfahren: »Es sieht so aus, als sei es ein Internetgerücht.«
Die Jerusalem Post hat Hinweise, dass die Zidane-Meldung aus dem »Palestine Information Center« stammt. Also genau dem Nachrichtenportal, das auch den Bericht über Iker Casillas verbreitet hat. Politisch fällt das »Palestine Information Center« durch eine unverhohlene Nähe zur Hamas auf. Mit Begriffen wie »Judeo-Nazis«, »Apartheid-Israel« oder »zionistischer Terror« wird das Geschehen im Nahen Osten kommentiert.
Es stellt sich aber die Frage, warum eine Meldung, die vermutlich von einem Pressedienst erfunden wurde, dessen Nähe und Sympathie zu einer terroristischen Organisation unübersehbar ist, Verbreitung in den internationalen Medien finden konnte. Die Antwort liegt in der vermeintlichen Harmlosigkeit begründet: ein beliebter Fußballer, humanitäre Hilfe, spielende Kinder. Und als besonderer Link, warum die erfundene Meldung plausibel wirken konnte, diente der Umstand, dass Zinédine Zidane Muslim ist: Na, der wird sich bestimmt eher um Kinder in Gaza als um Kinder in Sderot kümmern! Erst ein Detail konnte stutzig machen: Zidane war nämlich nicht, wie es in der Meldung stand, Unicef-Botschafter, sondern war und ist für das UNDP im Einsatz, das United Nations Development Program.
Nun also, anderthalb Jahre später, passiert etwas Ähnliches: Wieder ist es das »Palestine Information Center«, das eine Meldung absetzt. Wieder wird deren Plausibilität auf eine Weise hergestellt, die mit dem konkreten Ereignis nichts zu tun – nämlich mit der Meinung von Casillas und Nadal zum Gaza-Krieg im Januar 2009. Und wieder machen erst die Details stutzig.
Dies ist eine hochgradig unsympathische Funktionalisierung bekannter Sportler für eine Sache, von der die Leute, die sie betreiben, einerseits wie selbstverständlich glauben, dass es eine gute sei. Es ist aber andererseits eine Sache, von der diese Leute selbst, vermutlich uneingestanden, zumindest ahnen, dass sie nicht so gut ist, wie sie nach außen behaupten. Sonst hätten sie ja wirklich die Sportler selbst reden und entscheiden lassen können. Aus dem bloßen Umstand, dass sich mit Iker Casillas und Rafael Nadal zwei spanische Spitzensportler vor anderthalb Jahren gegen das israelische Engagement im Gaza-Streifen ausgesprochen haben, versucht die Flottillen-Kampagne anscheinend Kapital zu schlagen, indem sie ihnen unterstellt, sie seien zu einem dezidiert antiisraelischen Engagement bereit.