Noel Sharkey im Gespräch über Roboterethik

»Das sind nur dumme Maschinen«

Noel Sharkey ist Professor für künstliche Intelligenz und Robotik an der Universität Sheffield und beschäftigt sich unter anderem mit den ethischen Fragen rund um den Einsatz von Robotern.

Die Roboter, die es gibt, sind recht dumm. Wofür braucht man eine spezielle Roboterethik?
Es gibt zwei verschiedene Roboterethiken. Bei der einen stellt man sich empfindungsfähige Roboter vor und fragt dann, ob sie auch so etwas wie Menschenrechte bräuchten, aber das ist wohl eher ein Problem der Science Fiction. Bei der anderen Art Roboterethik geht es um die menschlichen Anwendungen von Robotern und darum, ob sie die Rechte von Menschen verletzen oder nicht.
In Pakistan und anderen Ländern setzt die US-Armee Drohnen – also fliegende Roboter – ein. Erhöht das das Risiko für Zivilisten?
Es gibt eine Menge Bedenken gegenüber den ferngesteuerten Drohnen. Sicherlich werden durch sie viele Zivilisten getötet – trotz der angeblichen Präzision dieser Waffen. Die gezielten Tötungen werden von der CIA durchgeführt, die durch die Drohnen jetzt offenbar ihre eigene Luftwaffe hat. Natürlich sind die ferngesteurten Drohnen weniger gefährlich für Zivilisten als Flächenbombardements, aber die USA würden nicht Länder mit Bombenteppichen überziehen, mit denen sie sich nicht im Kriegszustand befnden. Bei den gezielten Tötungen durch Drohnen verhält es sich anders, die werden in Pakistan, Somalia und im Jemen durchgeführt.
Wenn relativ autonome Robotersysteme fatale Fehler machen und dabei Zivilisten getötet werden, wer ist dann schuld?
Einen Roboter würde man sicherlich nicht verantwortlich machen oder für zurechnungsfähig erklären. Das sind nur dumme Maschinen. Aber in der Tat ist es schwer zu entscheiden, wer zur Verantwortung gezogen werden muss, wenn es zu Fehlern kommt. Die meisten fliegenden Militär­roboter funktionieren semi-autonom. Das heißt, dass sie für einige Funktionen keine menschliche Steuerung brauchen. Ein fortgeschritteneres unbemanntes Flugzeug wie Taranis kann auch seine Senoren – etwa einen Wärmesensor – einsetzen, um Ziele auszuwählen und zu beschießen. Das geht zu weit, das ist kein angemessenes Mittel, um rechtmäßige von unrechtmäßigen Zielen zu unterscheiden.
Ronald Arkin, ein Experte für Militärroboter, legte ja nahe, dass Roboter sich im Krieg vielleicht menschlicher oder jedenfalls weniger grausam verhalten könnten als Soldaten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Roboter menschlicher sein kann als ein Mensch. Das ist eine eher anthropomorphe Idee. Wie soll ein Roboter Empathie und Menschlichkeit zeigen? Was Ron meint, ist, dass ein Roboter nicht wütend werden kann und kein Bedürfnis hat, sich für irgendetwas zu rächen. Aber auch meine Waschmaschine reagiert nicht wütend und versucht auch nicht, sich zu rächen. Wenn ich sie nach Afghanistan schicken würde, würde sie nicht versuchen, unschuldige Zivilisten zu töten. Heißt das, dass meine Waschmaschine menschlicher ist als ein Mensch?
Sie sind auch Ringrichter bei Roboter-Kämpfen. Sind die destruktiven Kräfte der RoboterTeil der Faszination, die sie ausüben?
Ich war bei vielen Roboterkämpfen und bei allen Fernsehausstrahlungen von Robot Wars Ringrichter. Diese Wettbewerbe sind eher eine Inspiration für jüngere Leute, um sie für Wissenschaft und Technik zu begeistern. Die Leute, die diese Maschinen bauen, waren bei den Wettbewerben nie aggressiv, der Sportsgeist ist dabei sehr ausgeprägt. Die Leute helfen sich beim Schweißen oder anderen Sachen, auch wenn sie wissen, dass sich ihre Roboter kurz darauf im Ring gegenüberstehen werden.
Voriges Jahr hat die Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) eine Konferenz abgehalten, auf der über das Problem diskutiert wurde, dass sich Roboter eines Tages gegen ihre Erfinder richten könnten. Geht es da nur darum, den Experten für Künstliche Intelligenz Aufmerksamkeit zu verschaffen?
Das war eine sehr ernsthafte und nützliche Veranstaltung. Nur weil ein oder zwei Experten reden wie in einem Science-Fiction-Film, sagt das noch nichts über die ganze Veranstaltung aus. Ich weiß nicht, ob die Menschen es irgendwann mit diesem Problem zu tun bekommen werden, es gibt keine empirische Grundlage dafür, dass das eines Tages passiert. Aber wer weiß, was in Tausenden von Jahren passieren wird?
Service-Roboter sind in unserem Alltagsleben noch recht selten. Wie lange wird es noch dauern, bis Roboter zum Alltag gehören, die auch komplexe Tätigkeiten übernehmen können?
In den siebziger Jahren war man sehr optimistisch, dass es bald Roboterdiener geben wird, aber die meisten Fortschritte, die die Robotik seit Mitte der achziger Jahre erzielt hat, verdanken sich der Tatsache, dass man die Entwicklung multifunktionaler Roboter zurückstellte zugunsten der Entwicklung von funktionsspezifischen Robotern, die etwa nur staubsaugen können. Vielleicht lernen wir eines Tages, wie man gut funktionierende multifunktionale Roboter baut, aber wir sollten erstmal Roboter für einzelne Funktionen zum Laufen bringen.
Wird die Robotik schon im kommenden Jahrzehnt die Arbeitsmärkte und vielleicht gar unsere Wirtschaftsweise verändern?
Darüber haben die Leute schon viel geredet, als in den achziger Jahren die PC aufkamen, und befürchtet, dass das zu Massenarbeitslosigkeit führen würde. Aber ich hoffe trotzem, dass die Service-Roboter uns die ganzen stumpfsinnigen, dreckigen und gefährlichen Arbeiten abnehmen und es der Menschheit so erlauben, interessantere Dinge zu tun – etwa neue Roboter zu bauen.
Mittlerweile werden auch Roboter zur Altenhilfe gebaut, da die Menschen in westlichen Gesellschaften älter werden und es weniger junge Menschen geben wird, die sich um sie kümmern können. Ist es ethisch bedenklich, wenn man dieses Problem durch Roboter löst?
Auf der einen Seite wollen wir ja unsere Unabhängigkeit und Würde in unseren späten Jahren behalten, und Robotertechnologie könnte uns dabei helfen. Aber dem steht entgegen, dass alte Menschen wie alle anderen auch Kontakt zu anderen Menschen brauchen. Für viele alte Leute sind die Pfleger die einzigen Kontaktpersonen. Wenn die komplett durch Roboter ersetzt werden würden, wäre das ein ganz schön hartes Leben.
Immerhin scheinen Menschen recht emotionale Beziehungen zu Robotern aufbauen. Der Therapieroboter Paro scheint etwa von dementen Menschen recht gut angenommen werden.
Ich habe mit Roboter-Kompagnons wie Paro meine Probleme. In meinen Augen hintergeht man die Leute, irgendwie nimmt ihnen das ihre Würde. Auf der anderen Seite funktioniert diese Puppentherapie ganz gut und ist bei manchen Therapeuten sehr angesehen. Das sind keine leichten Fragen. Ich meine, wir sollten Richtlinien entwickeln, mit vielen alten Menschen sprechen, uns mit Pflegern und Therapeuten beraten und den Robotereinsatz auf das beschränken, was den älteren Klienten wirklich guttut.