Über Pharma-Lobbysmus in Großbritannien

Kein Pfund für Hexerei

Auch in Großbritannien wird über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln diskutiert. Tonangebend ist dort die Lobby der Pharmakonzerne.

Seit kurzem schimpft ganz Deutschland über Homöopathie und will den Krankenkassen die Finanzierung der Alternativmedizin verbieten. Homöopathie sei unwirksam, ein Placebo, eine Milliardenindustrie und sogar hochgradig gefährlich.
Viele deutsche Zeitungen erwähnten in ihren Berichten zum Thema eine Aktion der britischen Anti-Homöopathie-Kampagne »10:23«. Am 30. Januar hatten sich Homöopathie-Skeptiker in verschiedenen britischen Städten vor den Filialen der Drogeriekette Boots versammelt, um vor laufender Kamera ganze Fläschchen homöopathischer Arsenpillen zu sich zu nehmen. Dass keiner an einer Überdosis starb, nahmen die Aktivisten als Beleg, dass diese Medizin nur Wasser und Zucker enthalte. Homöopathische Mittel würden so stark verdünnt, dass die Wirkstoffe mit heutigen Messverfahren meist nicht mehr nachweisbar seien, argumentieren sie. Aus diesem Grund halten Kritiker die Homöopathie für nichts anderes als eine esoterische Disziplin.

Im Februar veröffentlichte das britische Unterhaus ein Gutachten des Science and Technology Commitee. Darin werde bewiesen, dass homöopathische Mittel unwirksam seien, was deren Finanzierung durch den National Health Service (NHS) nicht mehr rechtfertige. Dem Steuerzahler könne man nicht zumuten, Geld für etwas zu bezahlen, das keine Wirkung habe. Seitdem wird in der britischen Öffentlichkeit über die Wirksamkeit und Finanzierung von homöopathischen Mitteln diskutiert. Angesichts der von der britischen Regierung angekündigten Sparmaßnahmen – der NHS muss seine Ausgaben um Milliarden kürzen – wurde die Forderung, homöopathische Medikamente nicht mehr durch öffentliche Mittel zu finanzieren, von Vertretern der Politik begrüßt, obwohl die Aussagekraft der Studie zweifelhaft ist.
Die Ergebnisse basieren auf schriftlichen Einsendungen sowie auf mündlichen Befragungen von Experten. »Es gibt ausreichend Studien, die die Wirksamkeit von Homöopathie widerlegen. Der Wettkampf um die Finanzierung von Forschungen ist hart, und wir können nicht einsehen, dass weitere Recherchen zur Wirksamkeit von Homöopathie gerechtfertigt werden«, heißt es in dem Bericht. Von anderen Studien, die an­geben, das Gegenteil bewiesen zu haben, liest man in dem Gutachten nichts.
Die Frage, woran das liegt, kann man leicht beantworten, wenn man die Aufmerksamkeit auf die Mitglieder des mit der Studie beauftragten parlamentarischen Ausschusses richtet. Dessen Vorsitzende, Phil Willis, gehört der Lobby-Gruppe »Sense About Science« an. Es handelt sich um die lauteste und aktivste Gruppe gegen Homöopathie in Großbritannien. Finanziert wird sie größtenteils von Pharmakonzernen. Ein weiterer Abgeordneter des Ausschusses ist Dr. Evan Harris, der ebenfalls für Sense About Science gearbeitet hat. Ein Youtube-Video zeigt, wie er sich bei der 10:23-Aktion über Dr. Peter Fisher, den medizinischen Leiter des homöopathischen Krankenhauses in London, lustig macht. Fisher, der unter anderem Leibarzt der englischen Königin ist, sagte der Jungle World: »Ich denke, Politiker wie Phil Willis und Evan Harris haben das Recht auf eine Meinung, aber sie sind nicht an den Fakten interessiert.«

Zu den insgesamt zwölf mündlichen Befragungen für das Gutachten über Homöopathie wurden nur wenige Experten eingeladen. Paul Bennett, dem Direktor der Drogeriekette Boots, wurde nur ein finanzielles Interesse vorgeworfen. Genauso erging es Robert Wilson, dem Vorsitzenden des homöopathischen Herstellerbundes. »Es wurde nur ein einziger Homöopath befragt, und das war ich«, sagt Dr. Fisher. Das Komitee schien nicht viel Wert auf ein wissenschaftliches Urteil zu legen. Das scheint die Konferenz der britischen Ärztevereinigung British Medical Association in Brighton Ende Juni nicht zu stören. Dort wurde Homöopathie sogar mit »Hexerei« verglichen und die Forderung gestellt, homöopathische Stoffe aus dem Katalog der von den Gesundheits­behörden bezahlten Mittel zu nehmen.