Angebliche Zahlungen von Saddam Hussein und Gaddafi an Jörg Haider

Die Achse Bagdad – Klagenfurt

Erhielt Jörg Haider Millionenzahlungen von Gaddafi und Saddam Hussein? Die österreichische Justiz ermittelt.

Stefan Petzner vom Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) in Kärnten machte sich Ende Juli Gedanken über die globale Krise, die auch seine Heimat arg gebeutelt hatte: »Wer ist im Hintergrund so mancher großer Bank? Das verspekulierte Geld ist ja nicht weg, es hat nur jemand anderes. Nämlich Banker und Spekulanten an der Wall Street. Wenn man dann noch forscht, woher Goldmans und Lehmans so kommen, wird man auf spannende Ergebnisse stoßen.« Gefragt, ob er auf »jüdische Wurzeln« anspielen wolle, antwortete Petzner ganz in der kryptischen Manier seines politischen Ziehvaters Jörg Haider: »Ich verweise nur drauf, dass Herr Goldman und die Brüder Lehman schon eine Geschichte haben.«
Seit Montag voriger Woche muss Petzner sich mit ganz anders gelagerten Finanzskandalen he­rumschlagen, die selbst er nicht mehr den »wahren Mächtigen in der Welt« anzulasaten vermag, denen der BZÖ-Politiker auch die Ermordung seines großen Vorbilds zutraut und »die an der Ostküste oder sonst wo sitzen«. Seit das österreichische Magazin Profil über Millionenkonten des verstorbenen Parteichefs im Ausland berichtet hat, verlegen sich die Haiderjünger auf Attacken gegen jene, die mit dem dubiosen Finanz­gebaren der FPÖ und des BZÖ befasst sind: Der in der Sache ermittelnde Staatsanwalt müsse abberufen werden, da es sich um einen »linken Agenten und sozialistischen Freimaurer« handele.
Schon in den vergangenen Monaten ist Haiders langjährige Praxis, Kärnten mit kostspieligen Events zu überziehen, persönlich 100-Euro-Scheine unter die Bevölkerung zu bringen, den ökonomischen Kamikaze-Kurs durch halsbrecherische Geschäfte der mittlerweile maroden und verstaatlichten Hypo-Alpe-Adria-Bank zu finanzieren und im Ergebnis nichts daran zu ändern, dass das südlichste Bundesland das ärmste in Österreich ist, etwas in Verruf geraten. Nun geht es um bis zu 45 Millionen Euro, die Haider auf Liechtensteiner Konten als »Notgroschen« geparkt haben soll, und deren eventuelle Verwendung bei Bestechungen. Zumindest Teile des Geldes sollen von Muammar al-Gaddafi und den irakischen Ba’athis­ten stammen. Die Vorwürfe stützten sich auf anonyme Informanten und ein beschlagnahmtes Tagebuch des ehemalige FPÖ-Generalsekretärs Walter Maischberger, gegen den sich wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ermittelt wird. Maischberger ist ein Paradeexemplar jener nicht aus den traditionellen FPÖ-Strukturen stammenden »Buberlpartie«, mit der Haider in den Neunzigern sowohl seine Partei als auch die österreichische Politlandschaft aufmischte. Diese Woche legte Profil außerdem Dokumente aus dem irakischen Innenministerium vor, in denen von Millionenzahlungen an Haider und den ehemaligen FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler die Rede ist.
Die Liechtensteiner Behörden bestreiten die Existenz der Konten, und vorige Woche lagen noch keine eindeutigen Beweise für sie vor. Das hatte allerdings auch keine seriöse Zeitung behauptet. Die Ausfälle des stellvertretenden Bundesobmanns des BZÖ, Gerald Grosz, der von »Schweinejournalismus« mit »Stürmer-Qualität« spricht, zeugen nicht von jener beängstigenden Souveränität des politischen Übervaters, der auf jede Anschuldigung mit aggressiven, aber wohlüberlegten Gegenattacken reagierte, sondern von Panik und einer Ahnung, diesmal vielleicht doch nicht ungeschoren davonzukommen.

Mutmaßungen über eine Finanzierung der FPÖ und Haiders durch arabische Regimes gibt es schon lange. Seit Jahren existieren freundschaftliche Beziehungen der FPÖ und wichtiger BZÖ-Politiker nicht nur in den Irak und zu Libyen, sondern auch mit Syrien und dem iranischen Regime. Haider war Präsident der Österreichisch-Libyschen, der ehemalige FPÖ-Verteidigungsminister Herbert Scheibner Präsident der Österreichisch-Syrischen Gesellschaft. Der Irakisch-Österreichischen Gesellschaft stand zu Zeiten Saddam Husseins Ewald Stadler vor.
Auffallend an der derzeitigen Berichterstattung ist die Charakterisierung dieser Beziehungen als Skurrilität, während von den ideologischen Übereinstimmungen mit dem Ba’athismus oder Gaddafis »dritter Universaltheorie« kaum Notiz genommen wird. Dabei reicht ein Blick in Haiders 2003 erschienenes Buch »Zu Gast bei Saddam«, um einen Eindruck von dessen Bewunderung für den panarabischen Nationalismus und seine antiwestlichen Ressentiments zu bekommen. An Gaddafi imponierte Haider, der sich stets als »Araberfreund« charakterisierte, das »Bekenntnis zu Kultur, Volk und einer bestimmten Lebensweise, die Denken und Handeln prägen und die Errungenschaften der modernen Welt vergessen lässt«. Schon 2000 hatte der Gaddafi-Sohn Saif al-Islam verkündet: »Wir sind mit der FPÖ in Kontakt, weil Jörg Haider unser Freund ist. Sollten sich dadurch geschäftliche Beziehungen ergeben, wäre das kein Nachteil.« Der Kärntner Landeshauptmann wurde Ende der Neunziger vom libyschen »Revolutionsführer« als Verbündeter im Kampf gegen die »zionistische Herrschaft« begrüßt. Als die EU nach dem Regierungseintritt der FPÖ Sanktionen gegen Österreich verhängte, sprang Gaddafi seinem Freund zur Seite: »Europa sollte die Interessen seiner Völker und nicht die des zionistischen Systems im Auge haben.« Mehrfach reiste Haider während der schwarz-blauen Koalition nach Tripolis.
Nach Bagdad flog Haider 2002 gleich dreimal, um dem irakischen Diktator jene Visiten abzustatten, die von dem isolierten Regime fürstlich honoriert worden sein sollen. In seinem Reisebericht erklärte Haider, »in der Palästinenserfrage einer Meinung mit Saddam« zu sein. Einem weiteren geplanten Besuch kam die US-Armee in die Quere. Nach dem Sturz Husseins tauchten Dokumente auf, die auf eine Verwicklung der Irakisch-Österreichischen Gesellschaft in lukrative Ölgeschäfte schließen lassen.
Alle bisherigen Skandale haben weder der FPÖ noch dem Ansehen Haiders nachhaltig geschadet. In den Augen ihrer Wählerschaft stellte es keinen Widerspruch dar, als Partei der »Ehrlichen und Anständigen« aufzutreten und gleichzeitig ein alternatives Modell der Abzocke zur sozialdemokratischen und konservativen Klientelpolitik zu praktizieren. Was bei den Vertretern der »Systemparteien« als Ausweis ihrer gemeinschaftsschädigenden Gesinnung galt, erschien beim Führer der demokratischen Volksgemeinschaft als Beleg dafür, was für ein »klasser Bursch« er doch sei, jederzeit bereit, sich zum Wohle des Volkes über unnütze Vorschriften hinwegzusetzen. Er war der Tausendsassa, der versuchte, Kärnten mit billigem libyschen Öl zu versorgen, während er gleichzeitig gegen die Islamisierung Österreichs wetterte.

Angesichts des offensichtlichen ökonomischen Desasters, das Haider seinen Nachfolgern hinterlassen hat, könnte er nun aber posthum selbst ins Visier des Volkszorns geraten. Andreas Mölzer, langjähriger Chefideologe des äußersten rechten Flügels in der FPÖ, nutzte wenige Monate vor den Landtagswahlen in Wien und der Steiermark die Gelegenheit zur Generalabrechnung mit Haider, dessen »politische Irrwege« korrigiert werden müssten. Von links wird die Abrechnung mit Haider derweil mit einem Vokabular betrieben, an dem auch Mölzer Gefallen finden dürfte. Armin Thurnher, Chefredakteur der linksliberalen Wochenzeitung Falter, erklärte Haider zur politischen Variante »des skrupellosen Börsenspekulanten«. Mölzer konstatiert, die FPÖ habe sich in der Koalition mit der ÖVP »politisch-ideologisch verkauft«. Gegen die »unideologische« Buberlpartie bringt er das »historisch gewachsene national-freiheitliche Lager« in Stellung, und gegen das verlotterte »System Haider« macht er die »freiheit­liche Gesinnungsgemeinschaft« stark, die in der heutigen FPÖ unter Heinz-Christian Strache zum Glück wieder das Sagen habe.