Nackt und zerfleischt

Bilder von Menschen, die gerade totgedrückt werden, von Panikopfern, die der Hölle entkommen sind. Der Schrecken aus dem Tunnel in Duisburg lief rund um die Uhr im Fernsehen. Auch das war »torture porn«, wenn man so will, »torture porn«, gemixt mit ein wenig Snuff. Voller Schaudern konnten wir unsere Blicke nicht von den Bildern wenden.
Woher kommt die Faszination für Drastik, und wie konnte es passieren, dass Filme, deren Plot daraus besteht, dass die Figuren nach allen Regeln der Kunst zu Tode gequält werden, heute ein Teil des Mainstream-Kinos geworden sind? Dieser Frage geht der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger in seinem schmalen Bändchen »Terrorkino« nach, das in der neuen Reihe »Kultur & Kritik« im Bertz & Fischer-Verlag erschienen ist. Stigleggers Absicht ist es, das negativ konnotierte Genre zu verteidigen. Filme wie »Saw« und »Hostel« bettet er filmhistorisch ein und zieht eine Linie von frühen Splatterfilmen über Pasolinis »120 Tage von Sodom« hin zum neuen Folterkino. Torture porn ist für Stiglegger also erst einmal eine schlichte Weiterentwicklung innerhalb des Schocker-Genres. Die Konsumenten werden nicht als abgestumpfte Freaks dargestellt, vielmehr spricht der Autor sie mit Georges Bataille und Susan Sontag frei von allen kulturpessimistischen Vorwürfen. Wir müssen uns also nicht schämen, den Schocker aus Duisburg nicht ausgeschaltet zu haben.

Marcus Stiglegger: Terrorkino – Angst/Lust und Körperhorror. Bertz & Fischer. Berlin 2010, 9,90 Euro