Die Debatte um die »Väterrechte«

Papa hat das letzte Wort

Väter können ihr Sorgerecht gegen den Willen der Mütter durchsetzen – so hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Entwicklung postpatriarchaler Familienformen ist das nicht dienlich.

Man könnte meinen, das Abendland sei vor dem Untergang gerettet worden. »Die ›entsorgten‹ Väter atmen auf«, freut sich die Welt. Die Deutsche Welle informiert: »Ledige Väter können für ihre Kinder sorgen.« Offenbar wurden sie bisher mit allen Mitteln davon abgehalten. Was ist passiert? Das Bundesverfassungsgericht hat das Vetorecht unverheirateter Mütter gegen ein väterliches Sorgerecht für verfassungswidrig erklärt. Doch ist das Urteil wirklich der Meilenstein auf dem Weg zu neuen Familienmodellen, als der es gerade einmütig gefeiert wird?
Eine Neuordnung von Beziehungen zwischen Männern, Frauen und Kindern steht an, seit der Mann als Familienoberhaupt hinfällig geworden ist, unter anderem dank der Frauenbewegung. Die Suche nach neuen, postpatriarchalen Regelungen hat aber schon lange eine schlechte, juristische Richtung genommen: Statt über neue Männerbilder und Familienstrukturen wird – ausgerechnet! – über Väterrechte diskutiert.
Aber was ist überhaupt ein Vater? Gehören Patriarchen alter Schule auch dazu? Wie soll der Satz »Kinder brauchen Väter« inhaltlich bestimmt werden? Diese komplexe Debatte auf die Genetik zu beschränken und die biologische Erzeugerschaft als einzig relevantes Kriterium gesetzlich festzulegen, ist keine Lösung. Sicher kommt es manchmal vor, dass Mütter ihre Beziehung zu den Kindern gegen die Väter instrumentalisieren. Aber der überwiegende Teil der Mütter sorgt aktiv für ihre Kinder, was eine selbstverständlich notwendige Arbeit ist. Die Mütter haben dabei keinerlei Möglichkeiten, den Vater auf eine Beteiligung an dieser Arbeit zu verpflichten, wenn er das nicht will. Das liegt in der Natur der Sache: Man kann gelingende Beziehungen, also auch väterliche Fürsorge, nicht per Gesetz verordnen.
Andererseits gilt nach dem Urteil aber: Wenn der Vater das Sorgerecht teilen will, kann die Mutter keinen Einspruch mehr erheben. Viele Frauen legten ihr Veto ein, weil sie mit dem Mann, von dem sie einmal schwanger wurden, keine Beziehung mehr haben wollten. In dem verhandelten Präzedenzfall hatte sich das Paar noch während der Schwangerschaft getrennt. Könnte das Sorgerecht von Männern nicht auch instrumentalisiert werden, um Beziehungen zu Frauen zu erzwingen, von denen sie verlassen wurden? Außerdem: Was ist mit lesbischen Frauen? Überzeugten Singles? Frauen in Polybeziehungen? In alternativen Lebensformen Kinder zu haben, wird durch den gegenwärtigen »Vaterrechtstrend« als tendenziell abnorm diffamiert. So funktioniert Heteronormativität.
Die Entwicklung von postpatriarchalen Familienformen ist eine schwierige kulturelle und politische Aufgabe, die Aufmerksamkeit und Zeit braucht. Sie auf eine Debatte um »Väterrechte« zu reduzieren, ist kontraproduktiv. Kinder und diejenigen, die für sie sorgen (ob Frauen oder Männer, ob leibliche Eltern oder nicht), brauchen nicht mehr »Rechte«, sondern gesellschaftliche Hilfe für das, worum es wirklich geht: um existenzielle Bedürfnisse, um konkrete Verantwortlichkeiten, um soziale Lebensverhältnisse und in allererster Linie um gelingende Beziehungen – in all ihrer möglichen Vielfalt.