Warum Linke die Serie »Buffy« lieben

Der Alltag ist der Horror

Linke in »Buffy«-T-Shirts diskutieren im Internet über den Klassenkampf bei »Buffy« und treffen sich nicht etwa, um zusammen Marx oder Adorno zu lesen, sondern um »Buffy« zu gucken. Die Fernsehserie »Buffy – Im Bann der Dämonen« wurde im März 1997 erstmals ausgestrahlt und bis 2003 produziert. Auf ihrer Grundlage entstanden Comics, ein Computerspiel und diverse Romane. An einigen Universitäten werden mittlerweile sogar »Buffy Studies« angeboten. Und der Hype geht weiter. Doch was reizt ausgerechnet Linke an der Teenie-Serie?

Ein bisschen albern ist es auf den ersten Blick schon: Da treffen sich Woche für Woche Leute, die einen großen Teil ihrer Zeit mit dem Versuch verbringen, die Gesellschaft, in der sie leben, zu verstehen, zu kritisieren und zu bekämpfen, sammeln sich in WG-Küchen und sehen auf dem Bildschirm einem mit überirdischen Kräften ausgestatteten Highschool-Mädchen mit stets frisch geföhntem Haar dabei zu, wie sie mithilfe ihrer Teenie-Freunde unglaublich vielen und unglaublich absurden Monstern den Garaus macht.
Irritierend ist nicht so sehr, dass diese Menschen überhaupt »Buffy« gucken, sondern dass die Serie für sie nicht einfach eine trashige Abendunterhaltung darstellt. Obwohl sie, anders als zum Beispiel die neueste amerikanische Bildungsbürger-Vampir-Serie »True Blood«, nicht einmal mit den traditionellen Topoi wie verdrängte Sexualität, Schuld, Wunsch, Gewalt aufwarten kann, behandeln sie »Buffy the Vampire Slayer« als Herzensangelegenheit, von der sie andere überzeugen wollen. Es mag albern wirken, aber es lässt sich erklären.

Die, die in der Serie bekämpft werden – Vampire und andere Monster –, haben auf das Leben der Hauptfiguren ähnliche Auswirkungen wie der Kapitalismus auf das Leben derjenigen, die als, sagen wir, in Leipzig oder Berlin lebende, akademisch gebildete Mitdreißiger vor der Glotze sitzen und »Buffy« gucken. In dieser Serie zeichnen sich die Dämonen nämlich nicht durch ihre Rätselhaftigkeit und Unheimlichkeit aus, sondern dadurch, dass sie ganz objektiv auftauchen, herumwüten und maximalen Stress verursachen. Auf diese Weise verhindern sie immer wieder (und in dieser Regelmäßigkeit auch grundsätzlich) das, was Buffy und ihre Freunde als ein selbstbestimmtes und ihnen zustehendes Leben empfinden. Alle zusammen, und in dieser Negation, werden die Monster in »Buffy« dadurch zu Bildern für die Zumutungen der bürgerlichen Gesellschaft, für das, was einen so schrecklich ruiniert: Konkurrenz und Kleinfamilie, Patriarchat und Militär, Arbeit und Anpassungsdruck.
Was Buffy zum Kotzen findet, findet ihr Umfeld normal. Wenn wieder und wieder eine Gruppe von Vampiren die Disko überfällt, dann breitet sich das große Schweigen aus in Schule, Elternhäusern und Kleinstadt. Das ist eben so. Nicht schön, aber unabwendbar. So ist das Leben. Danach: Business as usual. Entsprechend isoliert agieren Buffy und ihre Freunde. Entsprechend aussichtslos ist ihr Kampf.
Es ist aber nicht nur seine Aussichtslosigkeit, die den Kampf der Highschool-Clique zu etwas macht, von dem man als Linker seine Augen und Ohren, Gefühle und Gedanken nicht lassen kann. Vor allem fehlt diesem Kampf all das, was emanzipatorische Kämpfe in Geschichte, Kino und Fernsehen bisher so oft zu einer ziemlich fragwürdigen Sache gemacht hat.
Zunächst: Es kommen Frauen vor! Sie sind nicht tapfere Assistentinnen, Opfer oder Sexobjekte, sondern handelnde, sprachmächtige, häufig in sich zerrissene und manchmal einsame Figuren. Das klingt banal, ist es aber nicht. Dann: Niemals, und wenn die Bösen noch so böse sind, wird in der Serie »Buffy« das Loblied auf die Aufopferung für die gute Sache angestimmt. Zwar ist jeder der Freunde im Verlauf der Serie mindestens einmal bereit, sein Leben zu opfern, um die anderen zu retten. Aber solche Entscheidungen werden nicht verherrlicht, sondern es fällt von ihnen aus ein übles Licht zurück auf die Welt, in der sie nötig sind. Überhaupt liegt jede Art von Heldenpathos der Serie fern: Der Ton, den die Freunde anstimmen, wenn die Nacht am tiefsten ist, kann an keiner einzigen Stelle auch nur als tapferer Galgenhumor missverstanden werden – es ist hochreflektierter Sarkasmus. Wie die Macher der Serie es hingekriegt haben, nicht nur auf jeden Antiintellektualismus zu verzichten, sondern ab und an Glitzergirlanden überbordender Intellektualität in die Dialoge der Provinzteenager zu flechten, ohne dass dies nur im Geringsten aufgesetzt wirkt, bleibt ihr Geheimnis.
Außerdem verhindert eine besondere Grundkonstellation der Serie ganz nebenbei auch jeden Asketismus, jenen unsympathischen Zug vieler linker Bewegungen, in dem aus der Ablehnung der Welt, wie sie ist, die Ablehnung von Welt überhaupt geworden ist und in dessen Folge immer wieder Verzicht, Arbeit und Disziplin zu höchsten Tugenden verklärt werden. Bei »Buffy« ist der Kampf gegen die Vampire immer ein Kampf um die Welt: ums gemeinsame Abhängen und Fernsehen, auf Partys gehen und Pizza essen, ums Shoppen gehen, sich verlieben, Dinge bauen und Bücher lesen – also um genau das, was Buffy, Xander und Willow eigentlich immer gerade tun wollen, wenn ein Monster auftaucht und ganz andere Handlungen nötig macht, die in ihrer Nervigkeit niemals beschönigt werden (Magiebücher wälzen, über den Friedhof patrouillieren, Pflöcke und andere Waffen organisieren und einsetzen).

Dass diese Welt, diese nur in kurzen Stunden monsterfreie Normalität, um die die Gruppe ihren verzweifelten Kampf führt, auf dem Bildschirm irgendwie flach wirkt, abstrakt und nachkoloriert, ist konsequent, denn sie ist zum einen ohne reales Vorbild und zum anderen viel zu wichtig, um sie in Zukunftswerkstattmanier einfach irgendwie auszumalen. Die Welt, ohne die monstermäßigen Zumutungen der bürgerlichen Gesellschaft, modernes Leben, ohne den letalen Stress des Kapitalismus, ist auf diese Weise in »Buffy« das, was immer da, aber nie zu haben ist. Keine Utopie, sondern eine gerade jetzt nicht zu verwirklichende Verabredung, nicht das ganz Andere, sondern das ganz Normale, nicht der Himmel auf Erden, sondern die Erde ohne Hölle.
Bis zur siebten Staffel, in der es gelingt, das Schicksal der einen auserwählten Vampirtöterin Buffy durch die Formierung eines Slayer-Kollektivs zu überwinden, ist für die linke Zuschauerin in der seriellen Form des Kampfes (kämpfen – siegen – kämpfen – siegen – kämpfen) sowohl ihr Leiden unter der eigenen Kampflosigkeit aufgehoben als auch ihr Wissen um die Aussichtslosigkeit des Kampfes: die himmelhohe Überlegenheit der Gegner. Das löst in ihr Gefühle der Zugehörigkeit gegenüber den Serienfiguren aus, ohne die keine Serie funktioniert, die aber hier existentielle Ausmaße gewinnt.
Das andere wichtige Gefühl, das durch die Serie »Buffy« aus der tiefen Versenkung befreit wird, in die man es im horrormäßigen Alltag zwischen Lohnarbeit und Kleingruppennerv eingesperrt hat, heißt Sehnsucht. Sehnsucht nach dem sarkastischen Furor, den die Monster in Buffy auslösen und den zum Beispiel die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfängerinnen in einem auslösen müsste, aber nicht mehr auslöst. Sehnsucht nach einer politischen Kleingruppe, die die Beschädigungen und Eitelkeiten, das Auseinanderleben ihrer Mitglieder aushält, bis eine Organisation diese Kleingruppe überflüssig macht, nicht aber die komplizierten Indi­viduen, die in ihr mitarbeiten – genau wie bei »Buffy«. Das ist eine Sehnsucht, ohne die man als Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft, der den von Walter Benjamin und Theodor W. Adorno wesentlich geprägten linken Lernprozess nachvollzogen hat, auf Dauer emotional nicht über­leben kann: Darum lieben, darum brauchen Linke »Buffy«.