Grüßli vom Üetliberg

Berlin Beatet Bestes Folge 59. Das Üetli-Duo: Schnaaggi-Schaaggi (1962).

In den Sommerferien verreisen meine Freundin und ich immer für mehrere Wochen ins Ausland. Dieses Jahr hat es nur für eine Woche Zürich gereicht. Freunde hatten uns ihre Wohnung überlassen. Ein relativ günstiges Vergnügen also, in der ansonsten teuren Schweiz. Von jeder Reise bringe ich Schallplatten mit nach Hause, meine Freundin allerdings hasst Trödelläden, Flohmärkte und überhaupt alten Plunder. Ihre Abneigung führt mir immer wieder vor Augen, was für ein seltsames Vergnügen es ist, in staubigen, dunklen Geschäften zu kramen, statt bei herrlichem Sonnenschein das Leben zu genießen. Meine Besuche in Brockenhäusern, wie man in der Schweiz die gemeinnützigen Second-Hand-Läden nennt, beschränkten sich ihr zuliebe also auf ein Minimum. In kürzester Zeit raffte ich zusammen, was ich finden konnte. Zum Glück sind die Brockis sehr billig, eine Single kostet 50 Rappen, etwa 30 Cent. Danach ging’s an den Zürich-See, der mitten in der Stadt liegt und in dem es sich schön schwimmen lässt.
Am 1. August, dem Schweizer ­Nationalfeiertag, der mit Feuerwerk im ganzen Land begangen wird, trafen wir Lurker Grand in der Roten Fabrik, dem traditionsreichen linken Kulturzen­trum. Lurker hat vor einiger Zeit das Buch »Hot Love« herausgegeben. In diesem Coffeetablebook wird die Frühgeschichte der Schweizer Punkszene von 1976 bis 1980 detailliert beschrieben und großformatig bebildert. Ein echtes Meisterwerk, sowohl inhaltlich als auch grafisch. Zurzeit arbeitet Luker an einem zweiten Band, über den Schweizer Post-Punk der achtziger Jahre.
In den Brockis lassen sich Schweizer Punk-Singles wie »Hot Love« von den Nasal Boys (1977), »Züri brännt« von TNT (1978) oder Sachen von Kleenex, Sperma und Manisch Depressiv leider nicht finden. Die gehen auf Ebay meist für Hunderte von Euro weg. Praktischerweise kann man sich die Musik aber leicht auf dem Blog des Schweizers Erich Keller »God Bad Music for Bad Bad Times« herunterladen. Das ist zurzeit wahrscheinlich der beste und meistbesuchte Punk-Blog.
Die Schrottplatten, die ich so liebe, gab es in den zwei Brockis, die ich besucht habe, reichlich. Die Platte, die hier zu sehen ist, wirbt für eine Reise mit der neuen Üetlibahn auf den Üetliberg in der unmittelbaren Umgebung Zürichs. Beim Schnaaggi-Schaaggi handelt es sich um eine kleine Dampflokomotive, die bis 1962 auf dem Üetliberg eingesetzt wurde. Auf der Postkarte kann man schon die neue elektrische Bahn erkennen, die die alte ablöste. Heute fährt die Schnaaggi-Schaaggi in den Sommermonaten wieder als Museumsbahn. Leider haben wir es diesmal nicht geschafft, selbst auf den Berg zu fahren, aber ich komme bestimmt wieder, und dann mache ich eine fröh­liche Cha-Cha-Reise mit der Schnaaggi-Schaaggi auf den Üetliberg, um im Bahnhofsbuffet Gmüetliberg einzukehren.