Rostock-Fans gegen die NPD

Kein Heimspiel für Pastörs

Bislang waren die Anhänger des FC Hansa Rostock vor allem als erbitterte Gegner des FC St. Pauli bekannt. Kürzlich ließen sie jedoch eine Abordnung der NPD ihre Abneigung spüren.

Das Wetter meinte es gut am letzten Wochenende im Juli. Seit 1964 feiert man in dem kleinen vorpommerschen Städtchen Ueckermünde die Hafftage – das größte Volksfest der Region. Nicht ganz so lange währt die Tradition der NPD, diese Veranstaltung mit ihrer Propaganda zu überziehen. Während in diesem Jahr NPD-Mitglieder am Kai Flugblätter verteilten, schipperte Tino Müller, ehemaliges Mitglied der mittlerweile verbotenen »Heimattreuen Deutschen Jugend« und NPD-Landtagsabgeordneter, auf einem kleinen Fischerkahn über die Uecker, am Heck wehte die Flagge seiner Partei. In den örtlichen Medien fand der Auftritt keine Erwähnung.
Für viele Fußballfans sind die Spiele ihrer Vereine ebenfalls große Volksfeste, die Anhänger des FC Hansa Rostock sind da keine Ausnahme. Inner- und außerhalb der Stadien kennt man nicht nur ihre einfallsreichen Choreografien, sondern auch ihre Faible für Rauchbomben und Gewalttaten.

Seit Beginn der laufenden Saison berichtet das Internetportal Mupinfo, das der NPD nahesteht und auf den stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden David Petereit registriert ist, begeistert über den FC Hansa und seine Spiele. Allerdings musste ein Autor namens Michael Fischer auch schon besorgt fragen: »Hansa auf linken Abwegen?« Anlass für den Artikel war die Gründung der »Unique Rebels – Hansa Rostock«. Dieser neue Fanclub, eine Abspaltung der »Suptras Rostock«, spricht sich gegen jede Form von Diskriminierung aus. Fischer meint deshalb, »klare linksfaschistische Strukturen« erkannt zu haben.
Anfang August, am vierten Spieltag der dritten Liga, versuchten Nazis dann einen kollektiven Stadionbesuch. Begleitet von seinem Bodyguard David Böttcher, seinem Fraktionskollegen Stefan Köster und etwa 20 weiteren Gesinnungsgenossen betrat Udo Pastörs, Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion, die DKB-Arena. Kurz vor ihrem Ziel, der neu eingerichteten Südtribüne – wo die »Suptras Rostock« das Sagen haben –, wurden Pastörs und seine Begleiter erkannt. Die Hansa-Anhänger drängten den rechtsextremen Trupp handgreiflich zurück und riefen: »Nazis raus!« Der NPD-Tross lehnte das Angebot der Veranstalter ab, das Spiel von anderen Plätzen aus zu verfolgen.
Die »Suptras« verstehen sich als unpolitisch. In einer Erklärung zum Rauswurf der NPD-Delegation aus ihrem Block schrieben sie: »Jede Politik, erst recht von extremistischer Art, hat bei Hansa Rostock nichts zu suchen!« In den einschlägigen Internetforen der Fans finden sich jedoch auch Relativierungen: Pastörs und sein Gefolge hätten sich eben nicht die Südtribune aussuchen sollen. Auf der Nordtribüne, wo nach Ansicht der Suptras die Möchtegern-Fans sitzen, hätte man den NPD-Trupp vermutlich geduldet. Denn jeder »Hansa-Fan und Besucher unserer Tribünen kann und soll denken und meinen, was er will«, hieß es weiter in der Erklärung. Man habe sich gegen die politische Vereinnahmung des Vereins und seiner Fanszene gerichtet.

Tobias E.*, Rostock-Fan und in seiner Jugend in der antifaschistischen Szene engagiert, ist über das Vorgehen der Suptras gegen die NPD-Mitglieder nicht verwundert. Es hat ihn selbst schon mehrmals in den Block auf der Südtribüne gezogen. »Die machen eben die meiste Stimmung im Stadion«, sagt er. Zudem hätten die Suptras nicht erst beim Besuch Pastörs und seiner Gefolgschaft ihren Unmut über rechtsextremistische Bestrebungen gezeigt. So erinnert sich Tobias E. an ein Spiel: »Da rief jemand: ›Sieg Heil!‹ Die meisten Suptras drehten sich um und starrten den Rufer an. Das hat schon gereicht, um ihn zum Schweigen zu bringen.«
Am Tag, als die NPD-Mitglieder die Rostocker Südtribüne unfreiwillig wieder verlassen mussten, überfielen 50 bis 70 Vermummte in Hamburg ein Vereinsheim, in dem sich die »Ultras St. Pauli« und die »Skinheads St. Pauli« auf ein Fußballspiel vorbereiteten. Der Verdacht fiel zunächst auf Anhänger des FC Hansa Rostock. Eine Polizeisprecherin bezweifelte allerdings in der Hamburger Morgenpost, dass es sich um eine Attacke von Rostockern gehandelt habe.
Die regelmäßigen Krawalle zwischen Hansa- und Pauli-Fans haben für Tobias E. auch etwas von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die Spiele ziehen immer Besucher an, »die man sonst nicht im Stadion sieht«. Zudem provozieren sich beide Seiten schon vorher im Internet. Doch St. Pauli ist für die Rostocker ersteinmal kein Thema mehr, schließlich kann man frühestens in einem Jahr beim DFB-Pokal aufeinandertreffen.
Die Feindschaft zwischen den Fans von St. Pauli und Hansa hat auch politische Gründe. Im August 1992 stürmte und brandschatzte ein aufgestachelter Mob die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen. Unter den Angreifern befanden sich auch Rostocker Hooligans. An den Gegendemonstrationen beteiligten sich etliche Fußballfans aus Hamburg.
Auch der Fernsehfilm »Schicksalsspiel« von 1993 sorgte nicht unbedingt dafür, dass sich der Konflikt zwischen den Fans der beiden Vereine entspannte. Die Story: Roland, ein St.-Pauli-Anhänger, verliebt sich in einer Rostocker Fankneipe in Conny. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, an deren Ende Roland ermordet wird. Die Rostocker Fanszene fühlte sich durch den Film in Verruf gebracht. Auf der einen Seite steht also ein antifaschistischer Verein, auf der anderen ein Klub und seine Anhänger, die sich bislang nicht eindeutig gegen rechtsextremistische Bestrebungen aussprachen.

Sowohl der jüngste Versuch der NPD, den FC Hansa Rostock zu vereinnahmen, als auch die Reaktion der Suptras fanden in der lokalen Berichterstattung Beachtung. Bernd Hoffmann, neuer Vorstandsvorsitzender des Vereins, äußerte sich in der Presse erfreut: »Ein ganz klares Zeichen unserer Fans, sich von der NPD nicht instrumentalisieren und für ihre politischen Ziele missbrauchen zu lassen.« Tobias E. hat weder daran gezweifelt, dass die Rostocker Fans keinen Wert darauf legen, von der NPD rekrutiert zu werden, noch daran, dass seine Mannschaft gegen Koblenz gewinnt. Über das Heimspiel der Rostocker gegen Hoffenheim am Wochenende nach Pastörs Besuch im Stadion hat Mupinfo bislang nicht berichtet.

* Name von der Redaktion geändert