Über Google Street View

Keine Kamera für den Staat

Die Empörung deutscher Politiker über Google Street View hat andere Gründe als die Sorge um die Privatsphäre und den ­Datenschutz.

Wer heutzutage Vertrauliches über eine Person wissen möchte, hat es nicht schwer. Die Suche in Portalen wie Yasni, Xing, Facebook oder Myspace genügt in den meisten Fällen: Beruf, Familienstand, Vorlieben und Überzeugungen – Millionen Menschen geben im Internet Privates preis. Das wissen auch die Datensammler und Marketing­strategen von Google ausgiebig zu nutzen. Was Google Street View zu bieten hat, ist dagegen nicht ganz so gravierend: Wer sich daran stört, dass sein Haus fotografiert wird und die Aufnahmen online verbreitet werden, kann Einspruch einlegen. Zudem gewährt Street View nur den Blick auf, aber nicht hinter die Gardinen. Dennoch ist die Aufregung so groß, als liefen Kamerateams des Konzerns durch Wohnungen, um Aufnahmen für Google Couch View zu machen.
Es ist verwunderlich, welche Politikerinnen und Politiker sich nun um den Datenschutz und die Privatsphäre sorgen: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) lässt das Foto ihres Hauses verpixeln. Innenminister Lothar de Maizière (CDU) warnt vor einem »weltweit möglichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen«. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärt seine Partei angesichts des Vorgehens von Google zur »Anwältin der Privatheit«.
Die Privatheit war der Union und der FDP nicht ganz so wichtig, als sie 1998 den sogenannten Großen Lauschangriff durchsetzten. Ähnliche, die Bereiche Datenschutz und Privatsphäre in Mitleidenschaft ziehende Innovationen stammen aus Zeiten, in denen die SPD mit der CDU regierte: beispielsweise das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und die unveränderliche Steuer-Identifikationsnummer für jeden Staatsbürger. Die Vorarbeit für den »elektronischen Entgeltnachweis« (Elena), mit dem die Bundesregierung seit Januar Informationen über die Löhne, Abmahnungen und Fehlzeiten von 40 Millionen Beschäftigten sammelt, hat die SPD noch mit den Grünen geleistet und auch sie beschweren sich nun über Google Street View.
Bei der Einführung von neuen Technologien und Instrumenten zur Menschenverwaltung waren die Regierenden also nie zimperlich. Die derzeit geäußerte Sorge um Privatsphäre und Datenschutz kann man deshalb ignorieren. Vielmehr treibt die Verantwortlichen, wie etwa den verbraucherschutzpolitischen Sprecher der FDP, Erik Schweickert, grundsätzlich das Fehlen einer »eindeutigen Rechtsgrundlage« um. Auch der Spiegel befindet: »Die Exekutive hinkt hinterher.«
Die wichtigste Frage stellt jedoch die FAZ: »Ist Google der Staat?« Wenn jemand Straßenzüge fotografiert, dann soll das also der Staat sein. Der hat aber die Entwicklung und die Möglichkeit verpasst, sich besondere Zugriffsrechte auf die Technologie zu sichern. Das ärgert so manchen in den entsprechenden Positionen. Es sei »denkbar, Street View in die Vorbereitung eines Polizeieinsatzes einzubeziehen«, dies müsse aber noch rechtlich geklärt werden, bedauerte der Bund Deutscher Kriminalbeamter vor wenigen Tagen. Aus einem exklusiven Kripo Street View wird es jedenfalls nichts. Im Gegensatz zu anderen technischen Instrumenten muss sich die Exekutive den Google-Dienst zumindest mit der Öffentlichkeit teilen.