Über die rassistische und antisemitische Stimmung in Österreich

Wiener Einigkeit

In Österreich ist eine antisemitische und rassistische Stimmung zu beobachten, die immer offener gezeigt wird.

Als Anfang Juni innerhalb von nur einer Woche zwei Mal Feuer in einem Wohnheim im 21. Wiener Gemeindebezirk gelegt wurde, in dem viele türkische Studierende leben, füllten die Nachrichten darüber kaum mehr als die Spalten am Rand zweier Tageszeitungen. Dass für die beiden Brandanschläge, unschwer anhand der auf Wände ­gemalten Parolen erkennbar, offenbar Personen aus der rechtsextremen Skinhead-Szene verantwortlich waren, rief allgemein keine große Unruhe hervor. Nur drei Wochen vor den Brandanschlägen waren in unmittelbarer Nähe des Wohnheims 200 Menschen aufmarschiert, um unter anderem FPÖ-Parteiobmann Heinz Christian Strache zuzujubeln. Zur »Rettung des echten Wieners« angetreten, zeigten sich Kleinbürger und rechte Skinheads, die gegen den Ausbau eines islamisches Kulturzentrums und gegen »Überfremdung« demonstrierten, in trauter Einigkeit. Die SPÖ begnügte sich damit, auf Mediation zu setzen und eine beinahe ebenso gut besuchte Bürgerversammlung einzuberufen. Sorge bereitete den Genossen wohl einzig die Tatsache, dass man keine ebenso euphorische Stimmung zu erzeugen vermochte wie die politischen Kontrahenten draußen auf der Straße. Stillschweigend einig war man sich darüber, dass eine Diskussion über rassistische Mordversuche im Jahr der Gemeinderatswahl in Wien nur unnötig das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger beeinträch­tigen würde.

Im Gegensatz dazu kam es zum Aufschrei, als die israelische Armee die nur schlecht als Hilfskonvoi getarnten Schiffe nicht bis nach Gaza durchkommen ließ. Empört versuchte man im Wiener Gemeinderat, der Uno den Rang abzulaufen und Israel zu verurteilen. »Mit Schock und Entsetzen hat die Welt heute die Nachrichten erhalten über das Vorgehen der israelischen Marine gegen den humanitären Einsatz einer internationalen Hilfsflotte für die Bevölkerung im Gazastreifen«, hieß es in einem von der SPÖ initiierten Antrag im Wiener Gemeinderat. Der Antrag wurde einstimmig verabschiedet.
Wer sich deswegen überrascht zeigt, hat wohl etwas verpasst. Im Jahr 2000, als die tausende Menschen gegen die ÖVP-FPÖ Regierung demonstrierten, glaubten viele, die traditionelle politische Rollenverteilung sei noch zu retten. Ihre Demonstrationen für die Rettung des »anderen Österreich« waren jedoch das letzte Aufflackern von Protest der Sozialdemokratie gegen die politische Etablierung der FPÖ. Wer wollte, hätte schon damals erkennen können, dass die Gewerkschafter sich vor allem darüber ärgerten, dass ihre Terminkalender immer weniger Treffen mit Minstern vorsahen; und wo diese noch stattfanden, redete man sich zum Missfallen der Genossen wieder mit »Grüß Gott« an. Es ist kein Zufall, dass aus der damaligen Protestbewegung kein zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts entstand. Das ersparte der hiesigen Linken zwar schnöde Debatten über Extremismus, ließ aber zugleich erkennen, dass der Grund für den Protest mehr der Ausschluss der SPÖ von der Macht als wirkliche politische Empörung war. Der Unmut über die Regierungsbeteiligung einer rechtsex­tremen Partei verkam zum Beiwerk. Das stellten die Sozialdemokraten noch einmal eindrucksvoll unter Beweis, als sie 2008 Martin Graf (FPÖ), bekanntermaßen Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Olympia, die Verbindungen zu Rechtsextremen pflegt, zum dritten Nationalratspräsidenten wählten.
Diese Kontinuität zeigt sich schon beim Blick auf die Einigkeit der Fraktionen in der Auseinandersetzung um den Erhalt der arbeitsfreien Sonntage in den neunziger Jahren. Wie immer war für alle etwas dabei. Die Katholiken hofften auf mehr Kirchengänger, und die Vertreter des »kleinen Mannes« sollten weiter glauben können, dass am Sonntag wirklich niemand arbeiten muss. Als Jahre später das tschechische AKW Temelin eröffnet wurde, strömten an frei gebliebenen Sonntagen Scharen im Kampf gegen das Böse herbei, um die Heimat mittels Grenzblockade vor der nuklearen Verschmutzung zu schützen.

Nicht wenige Linke halten heute dennoch an der Hoffnung fest, dass eines Tages das finstere Treiben in Österreich ein Ende nimmt. Dabei beobachtet man Tag für Tag, wie sich die rechte Stimmung in Österreich immer deutlicher zeigt. Die vom Wiener Gemeinderat einstimmig beschlossene antiisraelische Resolution zeugt davon, dass die österreichische Familie immer stärker mit einer Stimme spricht.
Im Mai war der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, der Gedenkfeier im Nationalrat anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 5. Mai 1945 aus Protest gegen die Iran-Politik Österreichs fern geblieben. Dieser Entscheidung war der Besuch des iranischen Außenministers Manouchehr Mottaki beim österreichischen Amtskollegen Michael Spindelegger ebenso vorausgegangen wie die Anwesenheit der österreichischen Delegation in der Uno-Generalversammlung, während Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad dort seinen antisemitischen Vernichtungswunsch formulierte. Die Kronen Zeitung ließ anschließend durch ihren Volkskolumnisten »Herr Strudl« ausrichten: »Anders als viele ihrer politischen korrekten Kollegen ham Österreichs Uno-Delegierten während der Rede vom Ahmedinejad net den Saal verlassen. Recht hams. Weil diesmal war fast olles, was er gsagt hat, völlig richtig.«

Vor wenigen Wochen trat mit Frank M. Stern ein langjähriges Mitglied des Bundes Sozialdemokratischer Juden – Avoda aus der SPÖ aus. In einem offenen Brief erklärte er: »Die schönen Bekenntnisreden und Krokodilstränen bei Shoa-Gedenkfeiern und Denkmälern könnt Ihr Euch getrost sparen, solange Funktionäre, für die nur tote Juden gute Juden sind, die Richtung angeben. Um die Lebenden braucht sich keiner Sorgen zu machen. Die wissen sich schon zu wehren.«
Von der SPÖ ist als Reaktion auf den Austritt und den Brief Sterns allenfalls flüchtige Betroffenheit zu erwarten – das wohlerprobte Modell des Antisemitismus der Mitte, an dem die Partei von jeher Teil hat, wird nicht aufgegeben werden. Der FPÖ kann es egal sein, sie weiß bis dato immer noch besser, wie man mit dem antisemitischen Strom Österreichs schwimmt. Auch sonst wissen wie immer alle, was sie zu tun haben. Die Reihen der linken Antisemiten sind dank Gaza-Flottille um einige türkische Faschisten reicher geworden. Die Grünen werden weiter staatsfetischistisch am rauchfreien Österreich basteln, während die Law-and-Order-Fraktion der Volkspartei zufrieden ist, solange sonntags noch irgendwer den Weg in die Kirche findet. Das echte Wien geht eben noch lange nicht unter.