Der »nationale Antikriegstag« in Dortmund

Kein Krieg mehr nach dem Sieg

Nazis bereiten sich auf den »Nationalen Antikriegstag« in Dortmund vor. Prominente Redner dürfen auch in diesem Jahr dafür sorgen, dass sich die Teilnehmer nicht des Pazifismus verdächtig machen.

Der 5. September 2009 war kein guter Tag für Dortmunder Nazis. Schritt für Schritt hatten sie seit 2005 daran gearbeitet, den »Nationalen Antikriegstag« zu einem festen Datum im Terminkalender der extremen Rechten zu machen. 240 Teilnehmer waren zum ersten Aufmarsch erschienen, 2008 waren 1 200 gezählt worden. Im vergangenen Jahr wurden noch mehr erwartet. Doch es kam anders, nur etwa 700 Neonazis marschierten in Dortmund auf. Und nicht nur quantitativ mussten die Veranstalter um Dennis Giemsch, die Führungsfigur der »Autonomen Nationalisten« (AN) in der Stadt, einen Rückschlag hinnehmen. Auch die Disziplin ließ zu wünschen übrig. Nach knapp zweieinhalb Stunden Programm musste Versammlungsleiter Christian Worch die Anwesenden ermahnen, keine »Auflösungserscheinungen« zu zeigen. Enttäuscht waren die Organisatoren vor allem, weil anders als in den Jahren zuvor nur eine Kundgebung weit außerhalb von der Innenstadt genehmigt worden war. »Dortmund ist unsere Stadt«, behaupten die Nazis aus dem östlichen Ruhrgebiet gerne. Am »Antikriegstag« im vorigen Jahr gehörte ihnen nur ein weiträumig abgesperrter Parkplatz in der Nähe des Hafens.
Dass sie zumindest diese Fläche einige Stunden lang für ihre Propaganda nutzen konnten, hatten sie dem Bundesverfassungsgericht zu verdanken. Die Richter in Karlsruhe hatten am Tag vor der Veranstaltung ein Versammlungsverbot aufgehoben. Nach der im vorigen Jahr vor Gericht erlittenen Niederlage verzichtete der Dortmunder Polizeipräsident dieses Mal darauf, den Aufzug zu untersagen.

Der Weg scheint also frei zu sein für Giemsch und seine Gesinnungsgenossen. Auch wenn in der Stadt mehr als 40 Gegenveranstaltungen angemeldet wurden, zeigen sich die Nazis optimistisch, dass ihr Aufmarsch planmäßig verlaufen wird. Die Route, die nach Absprache mit der Polizei ausgewählt worden sei, biete mehrere Möglichkeiten, die Demonstration auch im Fall von Blockaden durchzuführen, geben die Veranstalter auf der Internetseite zum »Antikriegstag« an. Selbstverständlich würden sie sich aber nicht auf die Aussagen der Polizei verlassen. Man bereite sich auf alle Eventualitäten vor und werde »im Falle von Blockaden über Konzepte verfügen«.
Die Organisatoren hoffen, dass der Dortmunder Aufmarsch zur größten Demonstration der ex­tremen Rechten in der Bundesrepublik in diesem Jahr wird. Der »Trauermarsch« in Dresden Mitte Februar konnte sich wegen der Blockaden keinen Meter vorwärts bewegen. Am 1. Mai verteilten sich die Nazis auf ein halbes Dutzend Veranstaltungen. Auch die Demonstration in Bad Nenndorf blieb jüngst mit nicht einmal 900 Teilnehmern hinter den Erwartungen der Szene zurück. Offiziell wird am »Antikriegstag« mit 1 000 Teilnehmern gerechnet, doch die Veranstalter dürften auf eine deutlich höhere Zahl hoffen.
Vielleicht stört sich ein Teil der Zielgruppe aber nach wie vor am Namen des Aufzugs. In den ersten Jahren sorgte dieser jedenfalls für Missverständnisse. Noch 2008 hatte das »Aktionsbüro Norddeutschland« am Motto der Veranstaltung herumgemäkelt: »Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Begriff ›Antikrieg‹ sowohl für uns selbst, als noch vielmehr für Außenstehende nicht auf Anhieb verständlich ist.« Kriege, die notwendig seien, so stellten die norddeutschen Nazis klar, müssten auch geführt werden. »Kaum ein Bürger würde uns abnehmen, dass wir plötzlich zu Pazifisten mutiert sind.«
Doch das hatten die Dortmunder Nazis auch nie von sich behauptet. Gleich am ersten »Nationalen Antikriegstag« 2005 ergänzte der Dortmunder Siegfried Borchardt, auch bekannt als »SS-Siggi«, die Losung »Nie wieder Krieg!« um die Aussage: »Nach unserem Sieg!« 2007 bediente sich Constant Kusters, Vorsitzender der Niederländischen Volksunion, ganz unverhohlen der Kriegsrhetorik: »Wir haben noch ein Gebiet zurückzuholen, das liegt in Polen.« Man werde »wie unsere Vorväter kämpfen, um das Reich wieder herzustellen«.

Für den diesjährigen Aufmarsch haben die Organisatoren nach eigenen Angaben bislang 8 500 Plakate, 55 000 Flugblätter und 65 000 Aufkleber verbreitet. Die Naziband »Dissidenten« veröffentlichte für den Anlass eigens einen Song. »Auf die Straße, demonstrieren, Zionisten provozieren«, heißt es im Refrain. »Mobilisierungsveranstaltungen« fanden in Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt statt. Auf dem Pressefest der Deutschen Stimme waren die AN von der Ruhr mit einem Infostand anwesend. Andy Knape, der Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten in Sachsen-Anhalt, warb auf der Veranstaltung des NPD-Blatts für die Teilnahme an dem Aufmarsch.
Knape soll in Dortmund am Mikrofon stehen.Als Hauptredner sind außerdem der Franzose Pierre Krebs, der Österreicher Gottfried Küssel, Christian Worch und Dennis Giemsch ange­kündigt. Krebs, Doktor der Philosophie, ist Mitbegründer des »Thule-Seminars« und wird als »Vordenker der Neuen Rechten« gehandelt. Als Redner auf Kundgebungen hat er sich bisher nicht hervorgetan – anders als der bekennende Nationalsozialist Küssel, der in Österreich wegen zahlreicher Delikte wie NS-Wiederbetätigung oder unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraft ist. Worch darf in dieser Runde nicht fehlen. Zudem ist man nach wie vor auf seine juristischen und organisatorischen Erfahrungen angewiesen. Daran ändert auch nichts, dass viele in der Szene nicht nachvollziehen können, mit welchem Eifer Worch sich in die Schlammschlachten der ihrem Ende entgegensiechenden DVU eingemischt hat. Und zu guter Letzt soll auch Giemsch als Anführer der Ortsansässigen seinen Auftritt absolvieren.

Im vorigen Jahr feierte er in seiner Rede Hitler als »großen deutschen Politiker« und zitierte aus »Mein Kampf«: »Jede Niederlage kann zum Vater eines späteren Sieges werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer späteren Erhebung.« Auch wenn in der anschließend verbreiteten, schriftlichen Fassung seines Beitrags nur noch von einem »deutschen Politiker« die Rede war – ein Versehen war dieses offene Bekenntnis zu Hitler selbstverständlich nicht: Schon 2008 war auf dem Fronttransparent des Aufmarschs ein Hitler-Zitat zu lesen gewesen.