Brigitta Roulands im Gespräch über Imker, Bienen und Veganismus

»Man sieht kaum tote Bienen«

Brigitta Roulands betreibt zusammen mit ihrem Mann am Stadtrand von Krefeld die Imkerei Obstwiese. Die beiden herrschen über 20 Bienenvölker mit im Sommer insgesamt rund einer Million Bienen.
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Wie sind Sie zur Imkerei gekommen?
Mein Mann ist im Naturschutzbund aktiv und wollte immer schon mal eine Streuobstwiese anlegen. Irgendwann ließ sich das realisieren, weil wir günstig ein Grundstück erwerben konnten. Dann fiel uns ein, dass wir noch Bestäuber brauchen, also Bienen. So sind wir beim Imker-Verein vorstellig geworden, und ein älterer Imker hat uns unter seine Fittiche genommen; wir haben auch viele Kurse besucht.
Warum brauchte Ihre Wiese extra gezüchtete Bienen? Kommen die Tierchen nicht natürlicherweise vor?
Es gibt in Deutschland keine wild lebenden Honigbienenvölker mehr, weil die natürlichen Bedingungen so schlecht sind. Bäume mit Höhlungen werden gefällt, und außerdem gibt es hier die Varroamilbe, so dass die Völker vielleicht mal einen Winter überleben könnten, aber keinesfalls einen zweiten. Es gibt noch solitär lebende Wildbienen, also Einzeltiere, die keinen Staat bilden. Die werden aber auch immer weniger.
Also ist jede Honigbiene, die ich herumfliegen sehe, eine gezüchtete Biene?
Sie sind alle unter der Betreuung eines Imkers. In den USA soll es noch wild lebende Honigbienenvölker geben, aber hier nicht.
Aber die Wildbienen bestäuben genauso gut?
Ja, schon, aber die Honigbiene übernimmt den größten Teil der Bestäubung, weil sie nicht so spezialisiert ist, sie nimmt alles, was sie kriegen kann, ist aber gleichzeitig blütenstet. Wenn Honigbienen merken, da gibt es eine lohnende Tracht, dann erzählen die das mit ihrer Tanzsprache den anderen Bienen im Stock und rekrutieren weitere Sammler. So erreichen sie, dass sehr viele Tiere in diese Tracht fliegen und bestäuben.
Ist die Imkerei ein anstrengender Job?
Es ist körperlich sehr hart.
Das meiste übernehmen doch die Bienen. Die sammeln die Pollen, produzieren den Honig.
Das schon, aber das Ernten ist anstrengend, da hat man schwer zu schleppen, so eine Honigzarge kann, wenn sie voll ist, 20 bis 30 Kilo wiegen. Und manche Imker wandern auch mit ihren Völkern, um Sortenhonige zu erhalten, das ist sehr anstrengend. Besonders von Mitte April bis Mitte Juli zur Erntezeit.
Sie imkern ja am schönen Niederrhein, wo es ziemlich grün ist, aber hier in Berlin gibt es auch Stadt-Imker und inzwischen sogar mehr als 500 Hobby-Imker, die auf ihren Dächern oder in den Hinterhöfen Bienen züchten. Was halten Sie davon?
Das ist eine sehr gute Idee. Wir sind zwar am Niederrhein, aber haben hier Stadtrandlage. Das ist für die Bienen viel besser als in der oft monokulturellen Landwirtschaft, weil sie in der Stadt eine vielfältige Tracht vorfinden und weniger Pestiziden ausgesetzt sind. Und für den Honig ist es auch gut. Wir haben in Krefeld zum Beispiel viele Lindenalleen, in den Hausgärten viele Obstbäume und Blumen.
Also profitieren die Bienen von der menschlichen Zivilisation?
Sie ist gut für die Überlebenschancen der Bienen und auch für den Honig.
200 000 Bienenvölker sollen in Deutschland den vorigen Winter nicht überlebt haben. Ist Ihre Imkerei vom Bienensterben betroffen?
Ja, bei uns betraf das 20 Prozent der Völker.
Aber etwas Schwund ist ja in jedem Winter.
Man sagt, alles unter zehn Prozent ist normal. Aber bei uns waren es eindeutig Schäden durch die Varroamilbe. Und dann steht man im Frühling vor leeren Kisten, das Volk ist weg. Man sieht kaum tote Bienen, weil die sich vorher abgeflogen haben.
Das heißt, sie fliegen zum Sterben woanders hin?
Sommerbienen leben ja nur vier bis sechs Wochen. Die Varroamilbe schädigt die Brut, die Larven schlüpfen nicht, es kommt also immer we­niger Nachwuchs. Wenn die Erwachsenen merken, ihr Volk bricht zusammen, versuchen sie, sich in einen anderen Bienenstaat einzubetteln.
Wie betteln denn Bienen?
Sie müssen etwas mitbringen von ihren letzten Futtervorräten. Sonst werden sie am Eingang zurückgewiesen.
Woran erkennen die Bienen, wer zu ihrem Staat gehört, bei 50 000 Staatsangehörigen ist das nicht einfach, oder?
Die erkennen sich am Geruch und merken, ob eine fremde Biene versucht, etwas zu rauben.
Eine ganz raffinierte Biene könnte einmal etwas mitbringen, sich langsam einschleimen, und dann immer heimlich Futter raus in ihren eigenen Staat schmuggeln …
Das wäre wohl eher die typisch menschliche Verhaltensweise. Aber das Problem bei dem Einbetteln ist, dass sie auf diese Weise die Varroamilbe mitbringen und verschleppen.
Weshalb ist Ihre Imkerei weniger betroffen als andere? Man hört ja auch von 100prozentigen Schäden.
Genau weiß ich das nicht. Ich habe nur ein paar Theorien, die ich nicht beweisen kann. So ist diese Vielfalt der Pollen in unserer Stadtrandlage natürlich günstiger, als wenn Imker inmitten von Maismonokulturen leben. Wenn dort dann auch noch viel mit Pestiziden gearbeitet wird, sind die Bienen da vielleicht vorbelastet. Insgesamt werden die Bienen empfindlicher. Früher konnte ein Volk 10 000 Milben aushalten, heute brechen Völker zuweilen schon bei 3 000 Milben zusammen.
Ist damit das Geheimnis um das Bienensterben nicht schon gelöst? Warum existieren diese ganzen Theorien vom Genmais bis zu den Mobilfunkstrahlen?
Das Bienensterben ist kein monokausales Geschehen. Dass die Bienen heute empfindlicher sind, liegt an vielen Faktoren wie Pestiziden und der geringeren Vielfalt der Pollenversorgung. Ob Genmais etwas damit zu tun hat, ist nicht bewiesen. Wir jedenfalls sind bisher relativ gut davongekommen.
Eigentlich hört man ja in jedem Frühling dieselbe Katastrophenmeldung: Bienensterben, alles ganz dramatisch, Apokalypse naht. Aber Honig gibt’s dann doch immer wieder, und auch von ausbleibenden Obsternten oder einem Rückgang der Blumen wegen fehlender Bestäubung hört man selten etwas.
Man hört tatsächlich jedes Jahr vom Bienensterben, aber es ist meistens eine regionale Angelegenheit. Wenn man nur eine Region betrachtet, hat man da einen zwei-, drei-, vielleicht sogar vierjährigen Abstand zwischen den ganz schlimmen Wintern. Wenn man Nachrichten aus verschiedenen Regionen bekommt, kann man den Eindruck gewinnen, es wäre überall schlecht. In diesem Jahr jammern die einen und im nächsten Jahr die anderen. Das ist ein Zyklus.
Dass es insgesamt immer schlimmer wird, würden Sie nicht sagen?
Da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn es gibt genügend Imker, die massive Probleme haben. Bei uns wird es nicht immer schlimmer, sondern es ist ein Auf und Ab, aber vielleicht haben wir einfach bessere Rahmenbedingungen. Tatsache ist, dass es insgesamt immer weniger Völker und immer weniger Imker werden. Inzwischen gibt es schon Bauern, die für eine Bestäubung bezahlen, und Imker, die nur davon leben.
Welche Beziehung haben Imker und Bienen? Sind Imker die natürlichen Lobbyisten der Bienen? Oder sind Sie im Gegenteil ihre Sklavenhalter? Manche Veganer und Tierrechtler lehnen ja Honig ab, weil sie die Imker für Tierquäler halten. Was sagen Sie dazu?
Was soll ich dazu sagen? Ich bin Imker. Die meisten Imker versuchen, ihre Völker zu pflegen und zu erhalten, und tatsächlich nicht völlig uneigennützig: Denn wir haben auch Spaß daran. Es geht ja nicht ausschließlich um den Honig. Naja, die Veganer, die sind halt manchmal etwas extrem. Die Honigbienenvölker in Deutschland würden jedenfalls aussterben ohne Imker.
Also ohne Imker keine Bienen, ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Pflanzen. Sie sichern am Ende nicht nur den Bienen, sondern auch den Veganern ihr Über­leben…
Ja, die müssten sich sonst vor allem von Mais ernähren, der wird windbestäubt, nicht durch Insekten. Selbstverständlich kommt es auch ein wenig darauf an, wie man das macht, aber die meisten Imker versuchen wirklich, den Bienen die bestmöglichen Bedingungen zu bieten.
Es gibt auch »artgerechte Bienenhaltung«. Machen Sie so etwas?
Wir sind nicht bio-zertifiziert, aber wir übernehmen schon einige Aspekte, wie den Naturwabenbau. Ich finde, das ist ein natürlicher Trieb der Bienen, und außerdem, falls man Pestizide im Wachs angereichert hat, verdünnt man diese damit. Die Vermehrung aus dem Schwarmtrieb versuchen wir allerdings eher zu verhindern, weil wir nicht daneben sitzen und warten können, bis der Schwarm fällt. Aber wenn der nicht eingesammelt wird, geht er zugrunde, denn er findet wohl kaum einen hohlen Baum. Und wenn er sich in einen Rollladenkasten niederlässt, wird er bestimmt schnell von Leuten rausgeholt, die ihn ganz und gar nicht da haben wollen.
Was können Menschen von Bienen lernen?
Die Natur intensiv zu nutzen, ohne sie zu schädigen.
Bienen sind im Grunde auch Bauern?
Ja, sie bestellen das Land. Aber nicht ihr eigenes, sondern das anderer Leute.
Eine Welt ohne Honigbienen, ist das denkbar?
Kaum. Aber es gibt ja solche Ansätze, etwa Hummelvölker zu kaufen, oder der Versuch, bestimmte Wildbienen künstlich zu vermehren. Das ist nicht schlecht, aber der effektivste und vielfältigste Bestäuber ist und bleibt die Honigbiene.
Jetzt ist es Ende August. An welchem Punkt der Saison befinden wir uns jetzt?
Fast an ihrem Ende. Wir haben schon vor einem Monat abgeerntet.
Was passiert jetzt mit den Bienen und was mit Ihnen?
Die Bienen werden im Moment aufgefüttert, und sie werden varroabehandelt, das kann man nur nach der Ernte machen, um den Honig nicht zu belasten. Danach haben wir Imker bienenfrei.
Das machen Sie mit Chemie?
Wir machen das mit einem Thymol-Präparat, das ist zwar für Bio-Imker zugelassen, aber synthetisch hergestellt. Es gibt auch die Variante, das mit Ameisensäure zu machen, die wird inzwischen aber auch synthetisch hergestellt.
Und dann gehen die Bienchen schlafen.
Nicht direkt, sie halten eine Art Winterruhe. Im Moment fahren sie gerade ihre Volksstärke zurück, das heißt, es kommen weniger neue Bienen nach. Ab den ersten Frostgraden gibt es dann vermutlich auch eine Brutpause. Die übrigen Bienen ziehen sich zu einer Kugel zusammen, wo sie so 14 Grad Celsius halten können. Winterbienen leben etwa vier bis sechs Monate.
Ich hätte da noch eine etwas diffizile Frage. Sagen Sie, stimmt es, dass die Männchen bei der Kopulation in der Luft explodieren?
Sie explodieren nicht wirklich. Ihr Geschlechtsorgan reißt bei der Begattung ab und sie stürzen dann zu Boden und sterben. Ich selbst habe das noch nie gesehen, denn das passiert in großer Höhe beim Flug. Die Königinnen werden von etwa 20 bis 30 Drohnen begattet. Die geben sich nicht mit einem zufrieden, um die genetische Varianz zu erhöhen.
Am Ende des Sommers werden die Wespen auf meinem Törtchen immer aggressiver. Ist das bei Bienen auch so?
Das ist wirklich Panik bei Wespen, die hungern schon. Wenn sie am Ende des Sommers keine Brut mehr zu versorgen haben, dann fangen sie an, nach Süßem zu gucken, Pflaumenkuchen, Marmelade. Bei Bienen ist das anders. Die interessieren sich tatsächlich nur für Nektar, höchstens ein offenes Glas Honig könnte sie reizen. Aber auch die Bienen werden am Ende des Sommers etwas unleidlich, die kommen dann zwar nicht an den Kaffeetisch und gehen Ihnen auf den Geist, aber der Imker merkt schon, dass sich die Stimmung ändert.