Tod in Philadelphia

Nach »Train« und »Paris Trout« liegt im Liebeskind-Verlag nun auch das Debüt des US-amerikanischen Thriller- und Drehbuchautors Pete Dexter vor. Man muss hinzufügen: endlich! »God’s Pocket« aus dem Jahr 1983 ist ein außergewöhnlich dunkler und harter, gleichwohl menschliche Abgründe mit einiger Zärtlichkeit beleuchtender Roman. Eine Milieustudie im Noir-Thriller-Gewand mit einer Reihe von Erzählsträngen und zahlreichen Protagonisten.
Man legt dieses mit lakonischer Coolness und in Sätzen kristalliner Klarheit geschriebene Buch nach der Lektüre zur Seite und wüsste zu gern, was aus ihnen geworden ist – aus den Bewohnern des Arbeiterviertels God’s Pocket in Philadelphia. Klar, ein paar sind tot: Das hinterhältige kleine Arschloch Leon etwa, dessen Schädelknochen der Eisenstange nicht standhielt, mit der ihm der »alte Nigger« Old Lucy nach etlichen rassistischen Drangsalierungen eins übergezogen hatte. Tot sind am Ende auch ein paar Mafia-Killer und der zynisch-depressive und versoffene Reporter Richard Shellburn. Eine gut gemeinte, letztlich herablassende Berichterstattung über das Viertel wird ihn, den Fremden, das Leben kosten. Vor allem fragt man sich: Was mag aus Mickey geworden sein, dem verschlossenen Halbkriminellen und Ehemann von Leons schöner Mutter, die Mickey nach dem Tod des Sohnes nicht halten konnte? Falsche Entscheidungen treffen, Pech haben, darum geht’s in diesem großartigen Roman, mit dem man am Ende nicht fertig ist, weil so vieles offen bleibt.

Pete Dexter: God’s Pocket. Aus dem Amerikanischen von J. Bürger und K. Bielfeld. Liebeskind, München 2010, 368 Seiten, 22 Euro