Die Bienen als Projektionsfläche

Wer braucht schon Bienen?

Bienen nerven. Naja, nicht die Bienen selbst, aber umso mehr die menschlichen Projektionen über Bienen.
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Honigbienen sind unglaublich faszinierende Tierchen. Die meisten von ihnen, die »Arbeiterinnen«, leben nur etwa 40 Tage, haben kein Geschlecht, bilden »Staaten«, wählen eine »Königin«, können miteinander per »Tanz« kommunizieren und existieren als Art schon über 80 Millionen Jahre. Kein Wunder, dass Menschen schon immer von diesen kleinen, pelzigen Insekten, die ihnen auch noch den Honig liefern, angetan waren. So sehr angetan, dass die Biene als Symbol für so ziemlich alles und das Gegenteil herhalten muss. Die Tiere sind Objekt von Fabeln, Fantasien und Metaphern, wie nicht zuletzt auch das Buch »Generation A« wieder einmal zeigt. Nein, nicht das Aussterben der Bienen ist zu wünschen, aber mit den Bienenfabeln muss endlich Schluss sein!
Kindern wollte man einst die menschliche Fortpflanzung an der Bestäubungstätigkeit der Bienen erklären, obwohl sich gerade diese Fortpflanzungsart am meisten von der der Menschen unterscheidet. Peter Kropotkin, der Anarchist, wollte ausgerechnet an den staatenbildenden Insekten beweisen, dass »gegenseitige Hilfe« auch schon im Tierreich vorkomme und der Mensch von Natur aus ein gutes Wesen sei. Joseph Beuys war fasziniert von den arbeitsamen Bienen und ihrer »absoluten Bereitschaft, sich selbst zurückzustellen und für andere etwas zu tun«. Der Heilige Ambrosius verglich die Kirche mit dem Bienenkorb, die frommen Gemeindemitglieder mit den Bienen. Für den Koran ist die Tatsache, dass aus dem Leib der von Allah geschaffenen Biene ein »heilsames Getränk« komme, »ein Zeichen für Leute, die nachdenken«.
Für Vergil spiegelte sich im Bienenstaat die menschliche Rechtsordnung wieder. Den Freimaurern ist die Biene ein Zeichen für die soziale Gemeinschaft, den Mormomen gilt der Bienenstock als Symbol für den unermüdlichen Fleiß. Napoleon I. verlieh besonders vorbildlichen Städten Bienchen als Auszeichnung für ihr gutes Gemeinwesen, und die Globalisierungsgegner wollen sich heute ein Vorbild an der »Schwarm­intelligenz« der Bienen nehmen. Bernard de Mandeville hingegen erklärte 1714 mit seiner berühmten Bienenfabel hingegen die Grundlagen einer liberalen Wirtschaftsordnung. Alois Schickl­gru­ber, Adolf Hitlers Vater, war begeisterter Hobby-Imker, die Ordnung des Bienenstaates soll den jungen Adolf sehr beeindruckt haben. Dem US-Autor Norman Mailer zufolge soll das Vergasen der Bienenstöcke Hitler sogar auf seine später grausam realisierte »Idee« gebracht haben.
Wenn sich Faschisten, Anarchisten, Liberale, Katholiken, Mormonen, Esoteriker und Globalisierungsgegner dasselbe Tier zum Vorbild nehmen, dann ist eins klar: Es taugt nicht als Vorbild. Und wenn dann noch ständig mit Begriffen wie Völkern, Staaten und Gemeinschaften hantiert und über Werte wie Fleiß und Uneigennützigkeit fabuliert wird, wird deutlich, dass sich Menschen an den Bienen tatsächlich ein Vorbild nehmen und einfach mal die Klappe halten sollten.