Gefällt auch der Freundin

Berlin Beatet Bestes. Folge 61. Masshysteri: »Masshysteri« (2010).

Meine Freundin und ich haben vieles gemeinsam. Wir reisen gern, tanzen gern, und auch in sozialen und politischen Fragen haben wir zumeist die gleiche Einstellung. Nur wenn es um meine Liebe zu Hardcore-Punk geht, kann sie mir nicht folgen. Für sie ist das nur Krach. Zum Glück ist mir das nicht so wichtig. Wir teilen viel bedeutsamere Dinge als mein Punkhobby. Obwohl es sicher auch Mädchen gibt, die HC-Punk mögen, ist es doch typische Jungsmusik. Diese Musik will nicht gefallen. In der Abgrenzung zu allem liegt ihre Kraft.
Umso bemerkenswerter ist es, wenn aus dieser Szene, in der es um Aggressivität und Härte geht, eine Band wie Masshysteri hervorgeht, die es schafft, ein reines Popalbum zu produzieren. Und nicht irgendein Album, sondern das beste Popalbum, das ich mir vorstellen kann. Es enthält nicht einen einzigen mittelmäßigen Song, sondern nur Hits. Eingängige, schöne, zeitlose Lieder, die glücklich machen. Dieses Album werde ich auch in 20 Jahren noch mit Freude anhören können, so gut ist es. Die beiden Frauen und Männer von Masshysteri kommen aus der kleinen nordschwedischen Stadt Umeå, die in den vergangenen Jahren ein ganze Reihe von herausragenden Hardcore- und Punk-Bands hervorgebracht hat, zum Beispiel die Regulations, The Rats und Knugen Faller. Mit der ebenfalls aus Umeå stammenden Hardcoreband DS 13 entdeckte ich Anfang der Nuller die DIY-HC-Punk Szene neu.
Vor zwei Jahren sah ich Masshysteri auf einem reinen Crust-Punk-Festival. Selbst da kamen sie mit ihrer Mischung aus zehn Prozent Punk und 90 Prozent Pop bei den Punks gut an. Das liegt nicht zuletzt an der Credibility, die sich die Band mit ihrer Do-it-yourself-Haltung erworben hat. Das kollektiv geführte Label Ny Våg, auf dem 2008 bereits ihre erste LP erschien, veröffentlicht nur befreundete Bands aus Umeå. Masshysteri touren zwar international, aber immer noch selbstorganisiert und im Rahmen der DIY-Hardcore-Punk-Szene. Bereits in der Vorgängerband The Vicious spielten Bassistin Sara und Gitarrist Robert zusammen. Während sie damals jedoch noch englische Texte sangen und musikalisch auf den amerikanischen Westcoast-Punk der späten siebziger Jahre festgelegt waren, singen Masshysteri mittlerweile ausschließlich auf Schwedisch. Auch der zweistimmige Gesang von Sara und Robert erinnert auf dem ersten Masshysteri-Album noch an die Punkband X aus Los Angeles. Ihre neue LP ist dagegen nicht mehr eindeutig retro. Wie Jonathan Richman Fantasy-Musik der Sechziger macht, spielen Masshysteri Musik, die es so in den Achtzigern nie gab. Es sind einfach nur schnörkellose Songs. Ihr neues Album ist ein Meisterwerk. Eine Platte, die auch meiner Freundin gefällt. Noch ist das Album allerdings ein Geheimtipp. Wer eins der 1 500 Exemplare des Underground-Popalbums des Jahres erwerben will, sollte daher umgehend in einen kleinen Punkplattenladen gehen.Wem die Platte nicht gefallen sollte, dem kaufe ich sie ab.