Auf der Suche nach Mehmet Mustermann

Er ist tolerant gegenüber Schwulen, versäumt es aber nicht, die angesichts der Überalterung der Gesellschaft notwendigen 2,3 Kinder zu zeugen. Für das Alter hat er gespart, doch er denkt auch an die Binnennachfrage und lässt sich die Konsumlaune nicht verderben. Er bildet sich in seiner Freizeit fort, ernährt sich gesund und treibt Sport, bekleidet ein Ehrenamt und liest abends seinen Kindern etwas vor. Seine historische Verantwortung nimmt er ernst, an den jeweiligen Gedenktagen trauert er um Juden, Dresdener Bombentote und Stasi-Opfer. Großen Respekt empfindet er vor jeder Religion, deshalb enthält er sich aggressiver Frömmelei, aber auch gottloser Provokationen. Die Freiheit liebt er, doch vermeidet er es, durch übertriebenen Individualismus das Gemeinwesen zu belasten. Er ist patriotisch, vergisst beim Fahnenschwenken jedoch nicht, fröhlich zu sein, damit die Ausländer merken, wie nett die Deutschen geworden sind.
So muss man sich den ideellen Gesamtdeutschen, das Ziel aller Integrationsbemühungen, wohl vorstellen. »Die Muslime« sollen einerseits gedrängt werden, sich von überkommenen Ideologien und Familienidealen zu lösen. Das Gegenbild ist aber nicht etwa die individuelle Freiheit, sondern der imaginäre Mittelwert eines modernen Deutschtums der Leistungsträger. Dass sieben Millionen »Ausländer« bzw. 15 Millionen Menschen »mit Migrationshintergrund« als individuelle Subjekte betrachtet werden könnten, kommt weder nationalliberalen Eugenikern noch sozialdemokratischen Sozialhygienikern oder konservativen Ordnungspolitikern in den Sinn. Nimmt man den Begriff der Integration ernst, so müsste jedem vernunftbegabten Menschen mit einem minimalen Verständnis für individuelle Freiheit klar sein, dass sich in migrantischen Milieus alles wiederfinden muss, was es in der deutschen Gesellschaft auch gibt. Integrieren sollen die Migranten sich schließlich nicht in Taka-Tuka-Land, sondern in einem Staat, in dem 26 Prozent der Bevölkerung überwiegend oder voll und ganz der Aussage »Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert« zustimmen. Es sollte daher als Zeichen gelungener Integration gelten, dass sich unter den Migranten rechtsextreme Milieus gebildet haben. Viele Linke hielten die »Ausländer« einst für die besseren Menschen und forderten sie auf, sie »mit diesen Deutschen nicht allein« zu lassen. Angemessener wäre die Forderung, dass ein Migrant das gleiche Recht haben muss, ein reaktionärer Flegel zu sein wie Thilo Sarrazin. Lieb haben muss man weder den einen noch den anderen. Gesellschaftliche Probleme nicht mehr als »fremd« auszugrenzen, wäre jedoch ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur zivilisatorischen Integration der Deutschen.