Berlin Beat Allstars

Der Mann strahlt und freut sich wie ein Schneekönig. Das Potpourri, das er mit seinen Kumpels spielt, bereitet ihm gewaltiges Vergnügen: Das Repertoire reicht von alten Bo-Diddley-Nummern über Beatles-Klassiker (»Can’t buy me love«) bis hin zu Golden Oldies aus den Siebzigern (»Jeans on«, Dave Dundas).
»Halt, Halt!«, schreit er unvermittelt und bricht mit ausholender Geste den Song ab. »Der Ton stimmt nicht!«, ruft er. Und wieder: »Der Ton stimmt nicht!« »Scheißegal«, möchte man ihm entgegenrufen, denn die Stimmung im Raum ist seit geraumer Zeit am Kochen, doch der Mann besteht darauf, seine Gitarre zu stimmen. »One-two-three-four!« Weiter! Die Ekstase im Saal ist mit Händen zu greifen. Die Menge tobt. Selten traf man im Festsaal Kreuzberg auf ein so fanatisches, amüsierwilliges Publikum, das einen so bedingungslosen Willen zur Party zeigte. Was hat man den Leuten bloß in die Cola-Flaschen getan, die hier zu Hunderten auf den Tischen stehen? Auf der Bühne steht plötzlich ein in ein hellblaues Sakko Gewandeter und kündigt »den dritten Musik-Block« an. Wo bin ich hier hingeraten? Machen die das hier schon seit dem frühen Abend? Kurz darauf steht auf der Bühne bereits ein Haufen Langhaariger, die eine krachige R’n’B- und Soul-Orgie entfesseln.
Nur eines ist anders als sonst, beim Konzert der sogenannten »Berlin Beat Allstars«: Die meisten, von denen hier die Rede ist, sind über 60 Jahre alt, der eine oder andere dürfte bereits die 70 überschritten haben. Viele der Anwesenden haben ein Alter erreicht, in dem sie von Jüngeren bestenfalls ignoriert werden. Dabei hätte gewiss mancher eine Geschichte zu erzählen. Dass ihre Großeltern einmal ähnliche alberne Modetänze aufgeführt, ähnliche fragwürdige Drogen zu sich genommen und ähnlich sinnfreie Texte (»A-ha-ha-ha-a-ha-ha-ha/Hey-ey-oh-hey-ey-oh/Cub-a-cub-a-cub-a-cub-a«) mitgejohlt haben, wie die Jüngeren selbst es heute tun, können diese sich nicht vorstellen. Eines Tages werden sie das können.