Bedrohter Content

Was Greg Dyke 2003 auf der internationalen Fernsehkonferenz in Edinburgh sagte, klang revolutionär. Er habe »einen Traum«, erklärte der damalige Chef der BBC: »Stellen Sie sich vor, Ihr Kind müsse für die Schule ein Referat halten. Und mittels eines Internet-Zugangs könnte es kostenlos auf das riesige BBC-Archiv zugreifen – schwupps, würde die simple Hausarbeit zu einer spannenden Multimediapräsentation.«
Dyke versprach: »Wir wollen all die Teile unseres Archivs, für die wir die Rechte besitzen, der Öffentlichkeit zugänglich machen. Mit Hilfe eines simplen Lizenzierungssystems können die britischen User die Sendungen dann für private Zwecke nutzen.« Schließlich gehöre das Sendearchiv streng genommen nicht der BBC, »sondern den Briten, die unser Programm mit ihren Gebühren bezahlen«.
Und jetzt schalten wir nach Deutschland, wir schreiben das Jahr 2009: Im 12. Rundfunkstaatsvertrag wird festgelegt, dass das Netz vergessen soll. Jedenfalles manches: Bestimmte Inhalte auf Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender müssen nach einiger Zeit gelöscht werden. Mit dieser staatlich vorgegebenen Depublizierung wollen sich die Macher von depub.org allerdings nicht abfinden und haben nun das Tagesschau-Archiv bis zurück ins Jahr 1999 online gestellt. Man hoffe, dass sich mutige Mitarbeiter von ARD und ZDF fänden, die weitere Daten an die Öffentlichkeit bringen, sagt depub.org, das langfristig so eine Art Wikileaks für bedrohten öffentlich-rechtlichen Content werden könnte.
Der NDR kündigte allerdings umgehend an, »mit allen juristischen Mitteln« gegen die im Ausland gehostete Seite vorgehen zu wollen – und wird damit vermutlich nicht nur den Streisand-Effekt kennenlernen, sondern auch schmerzlich erfahren, dass das Abschalten der Depublizierungs-Gegner nicht bedeutet, dass damit auch die Daten verschwinden.