Über die Jugend von heute

East End boys und West End girls

Die Shell-Jugendstudie präsentiert euphorische Teenager. Voraussetzung für dieses Glück ist Geld.

»Verschwende deine Jugend« und »No future«, das war einmal. Die Jugend von heute ist leistungsorientiert und mit einem unerschütterlichen Optimismus gesegnet. Als am Dienstag voriger Woche im Haus der Bundespressekonferenz die Shell-Jugendstudie präsentiert wurde, war die Freude über den Nachwuchs groß. Abends zeigten ARD und ZDF Teenager, die den Liebreiz und Charme der fünfziger Jahre verströmten. Wichtig sind den Jugendlichen Werte wie »Fleiß, Disziplin und Pünktlichkeit«, und für ihre Zukunft wünschen sie sich »ein Eigenheim, einen Hund und die Liebe fürs Leben«.
Wohnt man im Berliner Bezirk Neukölln, sorgen die Ergebnisse dieser Studie für leichte Irritation, weil man auf der Straße oder in der U-Bahn nur selten junge Menschen sieht, bei denen man sich vorstellen könnte, dass sie gerade damit beschäftigt sind, einen Bausparvertrag abzuschließen. Dafür hat man das im Blick, was Peter Hahne in der Bild am Sonntag als »Wermutstropfen« bezeichnete, sich seriöser gebende Zeitungen sprachen von einem »unschönen Nebeneffekt«: Jugendliche aus wohlhabenden Familien fühlen sich gut, die anderen fühlen sich schlecht.
Angesichts der steigenden Zahlen von prekär Beschäftigten dürfte dieser »kleine bittere Beigeschmack« in den kommenden Jahren zunehmen, aber anscheinend wollten sich die Kommentatoren bei ihrem Lobgesang auf die Jugend von heute nicht die Stimmung verderben lassen. Schließlich ist es doch großartig, dass die finanziell gut gestellten Teenager, völlig unbeeindruckt von der Wirtschaftskrise, heutzutage optimistischer sind als sämtliche Generationen von Jugendlichen vor ihnen. Wenn man sich dann anschaut, worauf sich die Zuversicht der Jugend konzen­triert, kann man sich allerdings auch Sorgen um den Nachwuchs aus wohlhabenden Verhältnissen machen. Gut, ein Hund ist eine Anschaffung, die noch nicht ans Utopische grenzt, aber konstant hohe Scheidungsraten und die zunehmend flexiblen Arbeitsverhältnisse sprechen eher gegen das traute Familienglück im Eigenheim.
Die Studie »Generation Biedermeier«, die das Marktforschungsinstitut Rheingold kürzlich zur Jugendkultur veröffentlichte, zeigt, dass die optimistischen Zukunftsträume der Jugend leider nicht nur auf Naivität beruhen, sondern Züge einer Zwangsneurose tragen. Dass bei der wohlsituierten Jugend kein Hauch von Rebellion, sondern demonstrativ zur Schau gestellte Spießigkeit anzutreffen sei, liegt der Studie zufolge an der »Angst vorm Absturz«. Finanziell besser gestellte Teenager rüsteten sich gegen diese Angst, indem sie rastlos Zusatzqualifikationen sammelten. Keine Lücke im Lebenslauf, lautet ihre Devise. Schon während der Schulzeit absolvieren sie eine Vielzahl von Praktika und buchen private Sprachkurse. Von den sogenannten Verlierern, auf die keine so glanzvolle Karriere wartet, grenzen sie sich dabei rigoros ab. Die gängigen Beschimpfungen auf Schulhöfen lauten »Du Verlierer«, »Du Opfer«, oder einfach »Hartz IV«. Die Mehrzahl der befragten Jugendlichen gab an, dass berufliches Versagen aus mangelnder Leistungsbereitschaft resultiere und somit selbstverschuldet sei. Angesichts solcher Aussagen klingt die Prognose der Shell-Studie, dass die Jugend wieder politischer werde, fast schon bedrohlich.