Für unverstrahlte Enkel

»Heute zeigen wir stellvertretend für die Mehrheit der Menschen im Lande, dass wir die einseitige Durchsetzung von Lobbyinteressen gegen das Gemeinwohl nicht hinnehmen«, sagte Jürgen Trittin (Grüne) am Samstag auf der Demonstration gegen die geplante Atomgesetz-Novelle der Bundesregierung. Und tatsächlich konnte man bei einem Streifzug durch das Regierungsviertel den Eindruck gewinnen, es gehe um mehr als nur Energiegewinnung: Alt und Jung demonstrierten wahlweise für Enkel und die Zukunft Deutschlands, gegen Stuttgart 21 und Gentechnik oder einfach gegen Schwarz-Gelb. Politiker waren nicht als Redner erwünscht, kamen aber »als Privatpersonen« zu Wort. Renate Künast (Grüne) fasste den Protest so zusammen: »Frau Merkel soll den Tag bereuen, an dem sie vor den Energiekonzernen in die Knie gegangen ist.« Und Claudia Roth (Grüne) bezog sich statt auf gute Argumente lieber auf die Moral: »Das ist ein sittenwidriger Vertrag.«
Bei so viel Wut und Einigkeit ließ sich gut demonstrieren. Zu Trommeln, Techno und Vuvuzela-Klängen fanden sich nach Angaben der Polizei 30 000, nach Angaben der Veranstalter gar 100 000 Demonstranten zusammen. Zwischen Fahnen aller Farben und überlebensgroßen Pappmenschen mit Dollarzeichen in den Augen störten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Viertelstunde lang den Verkehr auf der Friedrichstraße. Das bunte Treiben täuschte zudem darüber hinweg, dass die Inszenierung »David gegen Goliath« in Zeiten großer Öko-Stromkonzerne wie Lichtblick- oder Naturstrom-AG nicht mehr ganz aktuell sein dürfte.
Für die Clown Army und den Bundesverband Windenergie ist jedoch Kapital nicht gleich Kapital. Attac forderte darum: »Energiedemokratie statt Konzernmacht!« Schon plant die SPD einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Gesetzesänderung für verfassungswidrig erklären könnte. Dass sich das Thema Atomkraft damit erledigt hat, ist allerdings unwahrscheinlich.