Die deutschen Behörden lehnen immer häufiger Visumsanträge ab

Kein Urlaub in Deutschland

Deutsche Behörden lehnen Visumsanträge von Nicht-EU-Bürgern immer häufiger ab.

Diesmal klappte es nicht. Dabei war alles schon geplant, gebucht und gepackt. Kein Visum für eine Woche Deutschland. Einfach so, ohne Angabe von Gründen. In den vergangenen Jahren hatte Ahmed K.* seinen Kurzurlaub in Norddeutschland verbracht. Eine Woche lang ausschlafen, spazieren gehen, Freunde treffen und vor allem keine Familienverpflichtungen haben: So sollte es auch im vergangenen Jahr sein, aber die Botschaft in Tripolis erteilte ihm keine Einreisegenehmigung, obgleich er wie jedes Mal die aufwändigen Formalitäten erledigt und alle Unterschriften und Versicherungen beisammen hatte. Und einer festen Arbeit bei einem italienischen Gasunternehmen geht der Ingenieur aus Libyen schon seit vielen Jahren nach – ein wichtiges Kriterium, das die deutschen Auslandsvertretungen heranziehen, um die »Verwurzelung« und »Rückkehrbereitschaft« der Antragsteller zu beurteilen.
Wie Ahmed K. ergeht es jedes Jahr etwa 170 000 Menschen aus dem nichteuropäischen Ausland. Sie möchten Urlaub machen, Verwandte und Freunde besuchen, auf einer Tagung sprechen, einen Deutschen heiraten oder studieren. Die Auflagen für ein Visum sind hoch und viele müssen Jahre auf eine Einreisegenehmigung warten, falls sie denn überhaupt je erteilt wird.
Die Bundesregierung hat nun erstmals Zahlen zur Ablehnung von Visumsanträgen veröffentlicht. Nach diesen Angaben haben sich die Ablehnungsquoten in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Der Anteil der Ablehnungen hat sich in den Jahren 2000 bis 2009 von sechs auf fast zehn Prozent erhöht. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag gibt die Bundesregierung an, dass im Jahr 2000 über 2,6 Millionen Visa erteilt und 167 038 Anträge abgelehnt wurden. 2009 vergaben die deutschen Auslandsvertretungen über 1,6 Millionen Einreisegenehmigungen, 177 207 lehnten sie ab.
Eine Erklärung, warum die über 230 Auslandsvertretungen Visa immer häufiger ablehnen, hat das Auswärtige Amt nicht. »Jeder Fall ist ein Einzelfall. Eine generelle Tendenz ableiten zu wollen, wird der Sache nicht gerecht«, sagt ein Sprecher.

Bei den vorgelegten Zahlen nicht berücksichtigt sind Fälle, in denen Botschaftsmitarbeiter im jeweiligen Land von vornherein von einem Antrag abraten, weil dieser keine Chance auf Bewilligung habe. Im vergangenen Jahr sind im Vergleich zum Jahr 2000 eine Million Anträge weniger gestellt worden. Die Gründe sind vielfältig. Für manche Länder, etwa Rumänien, Polen und Bulgarien, ist die Besuchsvisumspflicht in der Zwischenzeit weggefallen. Möglicherweise wirkt aber auch die Abschreckung. Die Kontrolle der Einreise wird durch die Visumspflicht vorverlagert und den Botschaften überlassen. Zudem gibt es keinen Anspruch auf ein Besuchs- oder Touristenvisum, eine Ablehnung ist derzeit nicht anfechtbar.
Babak D., der als politischer Exilant nicht in den Iran reisen kann, trifft sich mit seiner Familie lieber in Istanbul als in Hamburg. »Ein Besuchsvisum für Eltern, Geschwister und einen Onkel zu bekommen, das kann man hier vergessen«, sagt er. Zudem seien die Kosten sehr hoch, allein die Visagebühr betrage 60 Euro pro Person. Besonders schwierig, ein Besuchervisum zu erhalten, ist es für Staatsbürger afrikanischer Länder. 2009 lag die Ablehnungsquote für Antragsteller aus westafrikanischen Ländern wie Guinea, Senegal, Ghana, Kamerun und Nigeria zwischen 34 und über 50 Prozent. Anträge aus diesen Ländern wurden drei- bis fünfmal häufiger abgelehnt, als es bei allen anderen Staaten im Durchschnitt der Fall war.

»Das ist soziale Selektion«, sagt Sevim Dagdelen, die migrationspolitische Sprecherin der »Linken« im Bundestag. Es seien insbesondere Menschen ohne regelmäßige Einkünfte und Ledige aus afrikanischen Ländern und aus der Türkei, denen ein Besuchsvisum verweigert werde. »Ihnen wird in der Praxis pauschal eine mangelnde Rückkehrbereitschaft unterstellt. Länder mit hoher Ablehnungsquote sollten diese willkürliche Praxis gegenüber ihren Staatsangehörigen ernsthaft hinterfragen«, meint Dagdelen.

* Name von der Redaktion geändert