Legalizite it!

Das Gras genießbar machen!

Das kalifornische Referendum zur Legalisierung von Cannabis sollte Vorbildcharakter auch für die deutsche Rechtsprechung haben. Für einen differenzierten, regulierten Cannabismarkt!

Die in Kalifornien zur Abstimmung stehende Proposition 19 zur Regulierung des Marktes von Hanfprodukten zu Genusszwecken ist ausdrücklich zu begrüßen. Endlich eröffnet sich die Möglichkeit, auch den Zugang und den Umgang mit Genusshanf sinnvoll zu regulieren, indem zum Beispiel die erlaubte Menge zum Eigenverbrauch und die Fläche zum Eigenanbau gesetzlich bestimmt werden. Problematisch ist allerdings, dass die erlaubte Menge zum persönlichen Gebrauch einer Altersgrenze unterworfen werden soll. So werden jugendliche Cannabiskonsumenten weiterhin kriminalisiert. Dagegen wäre die Einführung eines Mindestalters zum käuflichen ­Erwerb von Hanfprodukten eine realistische Möglichkeit, um den gebotenen Jugendschutz zu ­realisieren. Bei einem Abgabeverstoß wäre so nicht der Konsument, sondern der Verkäufer von Sanktionen bedroht, zum Beispiel dem Verlust seiner Verkaufslizenz.
Für sinnvoll erachte ich auch die Trennung der Märkte von medizinischem Cannabis und Genusshanf. Dies bedeutet das Ende der staatlich beförderten Selbstpathologisierung von Konsumenten, die Cannabis eigentlich zu Genusszwecken gebrauchen möchten. Die im Hanf enthaltenen Cannabinoide, insbesondere das THC, entfalten durch den Angriff an den Rezeptoren des komplexen körpereigenen Endocannabinoid-Systems zahlreiche pharmakologische und relativ schwache ­toxikologische Wirkungen. Dadurch lassen sich sowohl die positiven therapeutischen Effekte wie auch die Nebenwirkungen von Cannabis heute relativ gut erklären. Die wissenschaftlichen Grund­lagen für Therapieregime, welche die Art und Weise vorgeben, wie bestimmte Krankheitssymptome mit Cannabinoiden zu behandeln sind und wann besser andere therapeutische Methoden angewendet werden sollten, müssen in aufwendigen klinischen Studien ermittelt werden. Die erzielten Ergebnisse schlagen sich in therapeutischen Leitlinien nieder, an denen sich der behandelnde Arzt zu orientieren hat. Die Anwendung von medizinischem Hanf sollte wie jede Arzneimitteltherapie durch ein gewisses Maß an externer Kontrolle, ärztliche Expertise eingeschlossen, erfolgen.
Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Gebrauch von Hanf zu Genusszwecken. Genuss ist ein komplexer psychischer Prozess, der durch die Reflexion von als überwiegend positiv bewerteten sinnlichen Wahrnehmungen bedingt ist. Damit ist Genuss per se nicht extern kontrollierbar. Zwischen dem Genießenden und dem Genussmittel haben Arzt und klinische Studien keinen Platz. Genussfähigkeit und Selbstkontrolle sind jedoch erlernbar. Menschen dabei zu unterstützen, ist essentieller Teil einer wirksamen Suchtprävention. Ein anderer ist die Unterscheidung zwischen genussvollem Gebrauch und einem medizinisch funktionalisierten Konsum, bei dem ein Konsument oft unbewusst versucht, durch den Konsum etwa von Cannabis bestimmte, meist psychisch als negativ bewertete Gefühlszustände in Eigenregie zu therapieren. Ein solcher medizinisch funktionalisierter Konsum, der auch als medical use bezeichnet wird, kann den Weg in die Abhängigkeit bahnen. Dies möglichst frühzeitig zu erkennen und Hilfe anzubieten, ist ein weiterer Baustein von Suchtprävention und Therapie.

Dem steht aber die derzeitige Praxis in Kalifornien und anderen US-Bundesstaaten entgegen, wo ein legaler Zugang zu Hanfprodukten ausschließlich über eine Erlaubnis durch den Arzt und über spezielle Hanf-Apotheken zu medizi­nischen und pseudomedizinischen Zwecken möglich ist. Denn damit ist Genuss bzw. das Erlernen von Genussfähigkeit per Gesetz unerwünscht, und Cannabiskonsum wird durch den Staat medizinisch zwangsfunktionalisiert. Das ist das Gegenteil einer sinnvollen Suchtprävention. Außerdem führt der ausschließlich medizinisch bzw. pseudomedizinisch ermöglichte Zugang zu Cannabisprodukten dazu, dass Cannabis als eine Art Wundermedizin gegen alles eingesetzt wird. Eine solche Bagatellisierung von Cannabisthe­rapien dürfte die Akzeptanz von medizinischer Cannabisforschung und -anwendung reduzieren.
Ziel muss es daher sein, Cannabis-Arzneimittel nach klarer Indikationsstellung durch den Arzt auf Rezept in regulären Apotheken anzubieten und von der Krankenversicherung erstattet zu bekommen. Genusshanfprodukte dagegen sollten in staatlich lizensierten Fachgeschäften unter Einhaltung von Jugend- und Verbraucherschutzgeboten verfügbar gemacht werden. Der limitierte Eigenanbau sollte sowohl zu medizinischen als auch zu Genusszwecken erlaubt werden. So würde einerseits der massenhaften Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten ein Ende bereitet und andererseits die Qualität von Cannabisprodukten durch staatliche Vorgaben gesichert werden.

Tibor Harrach ist Pharmazeut mit Lehrauftrag an der Freien Universität Berlin und war Gutachter in zahlreichen gerichtlichen Abgrenzungsverfahren hinsichtlich Arzneimitteln und Genussmitteln.