Über die Terrorwarnungen in Europa

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In den westlichen Ländern kursieren ­Terrorwarnungen. Derzeit findet der Jihad jedoch in Pakistan und Afghanistan statt, und unter den Kämpfern sind zahlreiche Deutsche.

Viel Bewegung an frischer Luft in einer malerischen Bergwelt, die Kameradschaft einer verschworenen Gruppe, heroischer Kampf – so stellt sich ein Nachwuchsjihadist vermutlich das Leben in Waziristan vor. In Wirklichkeit erwarten ihn im Nordwesten Pakistans ärmliche Hütten, schlechte Verpflegung und unfreundliche Vorgesetzte.
Viele Europäer, die sich al-Qaida angeschlossen haben, seien desillusioniert, berichtet Syed Saleem Shahzad unter Berufung auf Informanten aus dem Militär im Magazin Asia Times Online. Deshalb habe Rami Mackenzie fliehen wollen, er sei jedoch verhaftet worden. Seine Aussagen sollen den Angriff einer amerikanischen Predator-Drohne ermöglicht haben, bei dem in der vergangenen Woche angeblich mindestens acht deutsche Jihadisten getötet wurden. Sie werden einer Gruppe zugerechnet, die Anschläge in London, Paris und Berlin geplant haben soll.
Terrorwarnungen sind noch weit unzuverlässiger als der Wetterbericht, denn anders als in der Meteorologie spielen auch politische Interessen eine Rolle. Die US-Regierung möchte vor den Kongresswahlen am 2. November Entschlossenheit im »War on terror« demonstrieren. Sie warnte Anfang Oktober US-Reisende vor »möglichen terroristischen Angriffen in Europa«. Die Bundesregierung hingegen möchte den Eindruck erwecken, alles im Griff zu haben, und stuft die Gefahr als gering ein. Für die Rechtfertigung neuer Überwachungsgesetze sind Terrorwarnungen wohl derzeit entbehrlich. Und je weniger über den Afghanistan-Krieg gesprochen wird, der immer mehr auch in Pakistan stattfindet, desto besser.
Am Freitag voriger Woche wurden Mohammed Omar, der Gouverneur der afghanischen Provinz Kunduz, und 19 weitere Menschen bei einem Bombenanschlag getötet. Omar hatte kurz vor dem Attentat erneut die Nato-Truppen, insbesondere die für die Sicherheit in seiner Provinz zuständige Bundeswehr, zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen die Taliban aufgerufen.
Die gleiche Mahnung richten westliche Regierungen immer wieder an Pakistan. Weil das pakistanische Militär nicht effizient genug gegen die ­Jihadisten kämpft oder kämpfen will, werden vermehrt Predator-Drohnen eingesetzt. Diese Einsätze, bei denen häufig auch Zivilisten getötet werden, verstärken nationalistische Ressentiments in Pakistan.
Dennoch hat eine wachsende Zahl von Pakistanis eingesehen, dass der Jihadismus nicht das Produkt einer ausländischen Verschwörung ist. Verstärkung kommt jedoch aus dem Ausland. Den von Shahzad zitierten Schätzungen zufolge haben sich mindestens 150 Deutsche al-Qaida angeschlossen. Das ist ein beachtliches Kontingent, von den mehr als 200 Millionen Muslimen aus dem subsaharischen Afrika etwa lässt sich kaum jemand in Pakistan blicken. Ob Konvertiten, wie es fünf der acht Getöteten gewesen sein sollen, oder muslimische Migranten, die Nachwuchsterroristen sind in Deutschland aufgewachsen und haben hier ihre Liebe zum Jihad entdeckt. Doch sie kämpfen in Pakistan und Afghanistan, denn zur praxisorientierten Ausbildung gehört auch die Teilnahme an Gefechten. Derzeit haben die Pakistanis weit mehr Grund als die Deutschen, sich über den Terrorexport zu beklagen.