Debatten in der spanischen Linken nach dem Generalstreik

Streikposten unter Beschuss

Nach dem Generalstreik diskutiert die spanische Linke über eine Fortführung der Proteste, während die Polizei gegen Linksradikale und, vor allem in Barcelona, gegen Hausbesetzer vorgeht.

Zwei Wochen sind seit dem Generalstreik in Spanien nun vergangen, an dem über zehn Millionen Menschen teilnahmen. Ob der Streiktag tatsächlich so erfolgreich war, wie von den Gewerkschafen betont wird, ist fraglich. Die Regierung machte bisher kein Angebot, die beschlossenen Sparmaßnahmen auch nur teilweise zurückzunehmen, die vor allem auf Kosten des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte gehen. Im Gegenteil, die Arbeitsmarktreform sei unumgänglich, erklärte Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero nach dem Streik. Man sei jedoch zu neuen Gesprächen mit den Gewerkschaften bereit, hieß es aus Regierungskreisen.

CCOO und UGT, die beiden größten spanischen Gewerkschaften, kündigten weitere Proteste an, sollte die Regierung die Reform nicht rückgängig machen. Zugleich erklärten sie ihre Bereitschaft, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, die sie wegen der sturen Haltung von Arbeitgebern und Regierung im Juni abgebrochen hatten. »Es ist nur eine Frage von Tagen, bis sie erneut zum ›sozialen Dialog‹ zurückkehren, wo sie uns dann erneut verkaufen werden«, hatte der anarchosyndikalistische Gewerkschaftsbund Solidaridad Obrera kurz nach dem Streik prognostiziert.
Anders als in Deutschland sind die Sparpläne der Regierung für die Linke und die sozialen Bewegungen in Spanien ein großes Thema. Linksnationalisten, antifaschistische Gruppen, kommunistische Parteien, Hausbesetzer – fast alle linken Gruppierungen riefen zum Generalstreik auf, und das, obwohl er von den sogenannten Mehrheitsgewerkschaften, CCOO und UGT, organisiert worden war. Diese stehen nicht ganz zu Unrecht in der Kritik, durch ihre Teilnahme am »sozialen Dialog« mit den Arbeitgeberverbänden und der Regierung mitverantwortlich für die allgemeine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu sein. Zudem wird ihnen vorgeworfen, durch ihr beschwichtigendes Verhalten die ehemals starke spanische Gewerkschaftsbewegung und ihre offensive Streikkultur geschwächt zu haben. Trotzdem sehen viele Linke in dem Generalstreik die Chance, wieder eine einheitliche, kämpferische Arbeiterbewegung ins Leben zu rufen. In linken Foren wird darüber diskutiert, wie es nun weitergeht. Auch wenn die Wirkung des Generalstreiks, der in Absprache mit der Regierung und lange nach der Verabschiedung der Reformen stattfand, als begrenzt angesehen wird, wollen viele darin den Beginn einer sozialen und gewerkschaftlichen »Reorganisierung« sehen. »Der Generalstreik ist nicht der Abschluss einer Arbeit, sondern der Beginn eines Kampfes«, schreibt zum Beispiel die Partei Antikapitalistische Linke. So gering die Chancen für eine kämpferische Massenbewegung auch in Spanien sein mögen, ohne sie werden sich drastische Reformen wohl kaum rückgängig machen lassen. Immerhin beteiligte sich über die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung am Streik, bisher ohne jegliche Auswirkung.
Sobald jedoch der »soziale Frieden« in Gefahr zu sein scheint, antwortet die Politik mit Repression. Vielerorts ging die Polizei äußerst brutal gegen die piquetes vor, die Streikposten, die Fabrikeingänge und Geschäfte blockierten. Über 1 500 von ihnen wurden namentlich erfasst, in der Ortschaft Getafe bei Madrid gaben Polizisten sogar mehrere Schüsse in die Luft ab. In den großen Medien war die Polizeigewalt kein Thema. Die Bilder von einem Polizeiwagen, der in Barcelona von Protestierenden angezündet worden war, wurden hingegen unermüdlich wiederholt.

Die katalanische Metropole war die einzige Stadt, in der es am Tag des Generalstreiks zu Ausschreitungen kam. In vielen Straßen wurden kleinere Barrikaden errichtet und angezündet, viele junge Demonstranten lieferten sich über acht Stunden hinweg Scharmützel mit der Polizei. Vereinzelt kam es zu Plünderungen, zudem nutzen Antifaschisten die Chance, eine faschistische Buchhandlung zu verwüsten. Insgesamt gab es 43 Festnahmen, der Sachschaden in der Stadt soll sich auf knapp 300 000 Euro belaufen. Obwohl die Zahlen im Vergleich mit vergangenen Großdemonstrationen in Barcelona oder dem Generalstreik in Griechenland nicht sonderlich hoch erscheinen, wurde daraufhin in spanischen Medien über linke Gewalt und besonders über die okupas, die Hausbesetzer, diskutiert.
Bereits vier Tage vor dem Generalstreik hatten mehrere hundert Leute symbolisch den ehemaligen Sitz der spanischen Kreditbank Banesto an der zentralen Plaça de Catalunya besetzt und für die Vorbereitung der Proteste in Beschlag genommen. Nachdem es am Tag des Generalstreiks mittags zu ersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen war, wurde das Haus geräumt – womit die Unruhen erst richtig losgingen. Vor allem in den regionalen Medien sind seitdem die Hausbesetzer wieder ein großes Thema, vereinzelt ist sogar von einer »Stadtguerilla« die Rede. Die linksliberale katalanische Tageszeitung El Periódico zitierte Polizeiquellen mit den Worten, es gebe in Europa ein »Dreieck des radikalen Anarchismus«, bestehend aus zwei Ländern und einer Stadt: Italien, Griechenland und Barcelona. Zu lange sei man zu tolerant gegenüber den okupas gewesen, die Barcelona zu einem Treffpunkt für europäische Radikale gemacht hätten. Als Beweis wird angeführt, dass von den 43 Festgenommenen 15 aus dem Ausland kamen. Aus der Stadtregierung Barcelonas kam nun der Vorschlag, linke Internet-Portale wie Indymedia oder Kaosenlared schließen zu lassen, sollten sich darin Aufrufe zur Gewalt finden.
Für den Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Ceoe, Díaz Ferrán, würde wohl bereits der Aufruf zum Streik diesen Tatbestand erfüllen. Ihm zufolge hätte die große Mehrheit der Arbeiter ihr »Recht auf Arbeit« wahrnehmen wollen, jedoch seien sie von den Streikposten mit Gewalt daran gehindert worden.