Über neue Steuerideen der Kommunen

Vergnüglich Steuern zahlen

Bräunungssteuer, Blaulichtsteuer, Bettensteuer – die Wirtschaftskrise und das Sparprogramm der Bundesregierung bringen die Kommunen dazu, mit kreativen Ideen ihre Einnahmen zu erhöhen.

»So schlimm sind die Kommunen noch nie ins Minus gerutscht«, stellte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Petra Roth, im April fest. Den Kommunen drohe das größte Defizit in ih­rer Geschichte, warnt derzeit der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). 15 Milliarden Euro werde es am Ende des Jahres betragen, schätzt der Interessenverband – doppelt so viel wie im Jahr 2009. Und wesentlich besser soll es nicht werden: Ein Minus von 14 Milliarden prognostiziert der DStGB schon jetzt für 2011.
Das Bundesfinanzministerium gibt zur Lage der Kommunen an: »Sie schließen die Finanzierungslücke regelmäßig durch Kassenkredite.« Das soll heißen: Viele deutsche Städte finanzieren sich nur noch auf Pump. Schulddaran ist vor allem der Rückgang der wichtigsten Steuereinnahme: Die Gewerbesteuer berechnet sich nach den jeweiligen Erträgen der Unternehmen – und die sind in der Krise teils drastisch zurückgegangen. Um gut 20 Prozent sanken die Gewerbesteuereinnahmen bundesweit von 2008 auf 2009. Im ersten Halbjahr 2010 gingen sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 6,8 Prozent zurück.

Schuld an den steigenden Ausgaben der Kommunen seien, wie die Interessenverbände sehr gerne betonen, die stetig wachsenden Sozialausgaben. 21,2 Milliarden Euro wurden im ersten Halbjahr 2010 für Sozialleistungen fällig, gut acht Prozent mehr als im Vorjahr. Das treibe die Kommunen in den Ruin, so die Argumentation. Maßnahmen zum Wohl der Haushalte müssten »im Bereich der Sozialausgaben« erfolgen, da seien sich Länder und kommunale Spitzenverbände einig, verkündet das Bundesfinanzministerium. Die Maßnahmen bestehen hauptsächlich darin, Leistungen zu streichen. Die Kommunen übernehmen unter anderem die Unterkunftskosten für Arbeitslose, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die Sozialhilfe – mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr. Sie wollen, dass der Bund sie dabei stärker unterstützt.
Der hat aber genau das Gegenteil vor. Denn das Sparprogramm der Bundesregierung (Jungle World 36/10) bürdet den Kommunen noch mehr auf. Bei den sozial Abgehängten zu kürzen, fällt Schwarz-Gelb nicht allzu schwer: Die Rentenversicherungsbeiträge für Hartz-IV-Empfänger sollen entfallen. Das bringt aber Folgekosten für die Kommunen. Denn wenn der Staat nicht für die Rente von Hartz-IV-Empfängern vorsorgt, be­nötigen diese später die Grundsicherung – und die müssen die Städte und Gemeinden zahlen.

Angesichts dieser Lage unternehmen die Kommunen einiges. So erhebt Köln seit Anfang des Jahres eine Bettensteuer. Alle Betriebe und Privatpersonen, die Zimmer vermieten, müssen fünf Prozent des Übernachtungspreises an die Stadt entrichten. Die »Kulturförderabgabe«, wie die Steuer offiziell heißt, soll sieben bis elf Millionen Euro im ersten Jahr einbringen. Die Argumen­tation für die Einführung ist bestechend: »Diese Steuer wird auf den besonderen Aufwand erhoben, der in diesem Fall darin besteht, nicht zu Hause, sondern in einem Hotel zu übernachten.«
Die Bettensteuer kommt ursprünglich aus Weimar. Dort wird seit 2005 eine pauschale Abgabe auf Übernachtungen und Eintrittsgelder erhoben – etwa 800 000 Euro bringen die Gebühren der Kommune jährlich ein.
Nun will der Hamburger Senat eine Kulturtaxe nach Kölner und Weimarer Vorbild einführen. In Berlin denkt man über eine »City Tax« nach. In Duisburg soll die Abgabe noch dieses Jahr eingeführt werden, in München nächstes Jahr. Auch die Vergnügungssteuer, zu der in manchen Städten eine Abgabe für den Sex mit Prostituierten gehört, hat mittlerweile viele Nachahmer gefunden.
In Essen sollen die Betreiber von Solarien zahlen – und zwar nicht nur wegen leerer Kassen, sondern im Namen der »Volksgesundheit«, wie es in der beschlossenen Vorlage des Stadtparlaments heißt. Die vom Stadtrat beschlossene Bräunungssteuer sieht vor, dass die Betreiber im Monat 20 Euro pro Sonnenbank zahlen – vorausgesetzt, das Land Nordrhein-Westfalen genehmigt die Abgabe und der Bundesfachverband Solarien und Besonnung reicht entweder doch keine Klage ein oder unterliegt vor Gericht. Am Ende des Jahres soll dies der Stadt nur 150 000 Euro bringen. Das ist das grundsätzliche Problem solcher Bagatellsteuern: Hundesteuer, Zweitwohnungssteuer, Bettensteuer und andere machen einen Anteil von gerade mal einem Prozent an den gesamten Steuereinnahmen der Gemeinden aus, so der DStGB.
Viele Kommunen scheinen aber gar keinen anderen Ausweg zu sehen, als zusätzliche Bagatellsteuern zu erheben. München wollte beispielsweise die Balkone besteuern, scheiterte aber vor dem Verwaltungsgerichtshof. Gladbeck dachte über eine Katzensteuer nach, Dortmund über eine Pferdesteuer. Mehrere Kommunen in Nordrhein-Westfalen wollen eine Abgabe für Mobilfunkmasten einführen. Luckau in Brandenburg hat eine Besteuerung von Windrädern beschlossen, unsicher ist allerdings, ob das Land sie genehmigen wird. Mehrere Kommunen wie etwa Fürth erheben bereits eine Luftraumsteuer für Automaten oder für Reklameschilder, die in den öffentlichen Raum ragen.

Abgesehen von solch putzigen neuen Abgaben kündigen die Kommunen eine umfangreiche Erhöhung der Gebühren für 2011 an, etwa bei der Grundsteuer oder den Abfallgebühren, was die Bürger eher erzürnen als erheitern dürfte. Der DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg prophezeite schon im April im ZDF-Morgenmagazin düster: Ohne Reformen und eine »Entlastung bei den Sozialabgaben« sei »nicht nur die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr«. Sollten sich die Menschen von den Kommunen, »dieser kleinsten Einheit der Demokratie, abwenden, weil sie meinen, nichts mehr ändern zu können, so ist dies auch eine Gefahr für den Gesamtstaat«. Vielleicht erledigen sich also ohnehin bald alle Steuern.