Mit Lenin zur Exzellenz

Uni-Präsidenten haben es nicht immer leicht. Das bekam Jan-Hendrik Olbertz, der seit voriger Woche Präsident der Berliner Humboldt-Universität (HU) ist, bereits vor seinem Amtsantritt zu spüren. Der Erziehungswissenschaftler war seit 2002 parteiloser Kultusminister der CDU- geführten Landesregierung Sachsen-Anhalts. In die Schlagzeilen geriet Olbertz im Sommer, als mehrere Historiker kritisierten, er habe sich dem SED-Regime angebiedert und seine Habilitationsschrift im marxistisch-leninistischen Stil abgefasst. Olbertz verteidigte seine Sprachwahl, er habe Zugeständnisse machen müssen, um sich Freiräume zu sichern. Der Historiker Hubertus Knabe bezweifelte Olbertz charakterliche Eignung. Als HU-Präsident übernehme dieser schließlich die Verantwortung für die Erziehung junger Menschen. Im Tagesspiegel forderten Kommentatoren von Olbertz ein offenes Wort über die »Versuchungen des Opportunismus«.
Darüber könnte allerdings auch die ehemalige FDJ-Kultursekretärin Angela Merkel Auskunft geben. Olbertz trägt zudem nicht die Verantwortung für die Erziehung der charakterschwachen Studierenden. Er organisiert nur deren Ausbildung und verwaltet einen beachtlichen Etat. Derzeit steht in Sachsen-Anhalt die Stiftung Moritzburg, Betreiberin des Landeskunstmuseums, wegen Missmagagements und undurchsichtiger Buchführung vor der Pleite. Vorsitzender des Aufsichtsrats und gleichzeitig als Kultusminister aufsichtspflichtig war bis vor kurzem Olbertz. Auch seine erste Personalentscheidung ist umstritten. Ulrike Gutheil, Kanzlerin der TU Berlin, soll Vizepräsidentin für den Haushalt der HU werden. Gegen die vom Landesrechnungshof wegen Begünstigung Gerügte laufen noch immer staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Veruntreuung von Haushaltsmitteln. Olbertz will einen höheren Haushalt, das Präsidium soll in Zukunft über 20 Prozent des gesamten Uni-Etats verfügen, wie der Studentenvertreter Gerrit Aust errechnete. Olbertz verdoppelt den bisherigen Etat für sich, seine drei Vizepräsidenten und die dazugehörigen vier Referate. Bei seinem Amtsantritt zum Semesterbeginn versicherte er, dass er die Lehre stärken und die HU in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs zur Eliteuni machen will. Beides wird die unterfinanzierte Uni kaum schaffen können. Von seiner zu DDR-Zeiten vertretenen Auffassung, im Kapitalismus sei es um die Autonomie der Wissenschaft schlecht bestellt, will Olbertz aber vermutlich nichts mehr hören.