Schottern ist Heimatschutz

Schottern ist Schrott

Nach Heiligendamm und Dresden sind Bewegungslinke wieder einmal in ihrem Element. Doch der Anti-Castor-Protest ist nichts als Heimatschutz.

Die heldenhaft beschworene »Geschichte des Protestes« soll Anfang November fortgeschrieben werden, wie die Anti-Castor-AG des Antifa-KOK Düsseldorf/Neuss in der Handreichung des Bündnisses »Castor schottern« verkündet. Nach dem antikapitalistischen Budenzauber zum G8-Gipfel in Heiligendamm und der Volksfrontprobe gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden steht die nächste Aktion mit der Aussicht auf »massenhafte Beteiligung« ins Haus: der Protest gegen den Castor-Transport. Während man in Heiligendamm für »indigene Existenzgrundlagen« demonstrierte und »kleinbäuerliche Bewegungen« als revolutionäres Subjekt feierte, es also darum ging, autochthone Völkerschaften vor zivilisatorischen Zumutungen zu bewahren, hat die Linke in Dresden ihre Rolle als erlebnisorientierter Standortschutzverein etabliert und traf damit den Nerv der Zeit.
Das Bündnis »Castor schottern« bestimmt die Problemlage, die derzeit zum »militanten Massenprotest« herausfordere, folgendermaßen: Es geht um den »Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen« und um »ökologische Gerechtigkeit« (was immer das auch sein soll). Marx wird auf den Hund gebracht, wenn im Ernst davon die Rede ist, dass es »kein Recht auf Profit« gebe, der nur daraus resultiere, dass »den VerbraucherInnen« von rücksichtslosen Monopolen »das Geld aus der Tasche« gezogen werde. Gegen diese diagnostizierten Missstände wird ein Joker ausgespielt: sogenannte Alternativenergien. Nach der »Logik« des Bündnisses werden diese offenbar ganz altruistisch erzeugt; welch ökologisches Paradies. Dabei spielt es selbstredend für die Aktivisten keine Rolle, dass der alternative Energiesektor mit beachtlichen Profiten nicht gerade am Hungertuch nagt.

Der Aufruf zum Massenprotest, unterzeichnet von solch illustren Vereinen wie den Waldautonomen Berlin, dem Antisexistischen Aktionsbündnis München oder der Berliner Tierbefreiungsaktion, beschwört förmlich eine unheimliche Allianz: »Wir wenden uns an die Menschen, die schon seit vielen Jahren im Widerstand gegen Cas­tortransporte aktiv sind; natürlich auch an die vielen Neuen, die in den letzten Jahren ihr ›Nein!‹ zur Atomenergie auf die Straße getragen haben; wir wenden uns an diejenigen, die massenhaft gegen den Sozialraub der Regierung protestierten, und die erleben mussten, wie ohne Wimpernzucken darüber hinweggegangen wurde; wir wenden uns an die Zehntausende, die bundesweit entschlossen etliche Naziaufmärsche stoppten.« Und weiter: »Mit unserem Schottern wollen wir der Atomlobby den Boden entziehen, auf dem sie ihren Müll gegen den Willen der Bevölkerung durch die Lande schickt.«
Der Wille der Bevölkerung, dem entgegen jeder historischen wie aktuellen Erfahrung Vernunft unterstellt wird, scheint das Einfallstor für die gern beschworene Radikalisierung ausgemachter Widersprüche zu sein. Der Konsens der ökologischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland wird von Linken kurzerhand als Kampf gegen das System zurechtgebogen, um nicht in den Verdacht zu geraten, völkische Ökokonzepte der Nazis würden einfach nur links überholt.

Dass der Souverän sich nicht von infantilen Abenteuertouristen (die entsprechenden Mobilisierungsvideos kann man im Internet bestaunen) die Schienen unterhöhlen lässt, wurde längst einkalkuliert, wenn die »Schotterer« ankündigen, dass »unser wichtigster Schutz (…) die massenhafte Beteiligung« sei. Man darf gespannt sein, ob es eine Fortsetzung des Stuttgarter Modells gibt, demgemäß Kinder und betagte Menschen sehenden Auges in die Schlagstöcke der – natürlich nicht ortsansässigen – Polizei rennen und als Schutzschild und Opfer zugleich fungieren. Ob antikapitalistisch, antifaschistisch oder ökologisch, ob in Heiligendamm, Dresden oder Gorleben: Form, Inhalt und Anlass der Mobilisierungen sind der schlagende Beweis für die immer manifester werdende Entwicklung der Linken zu Heimatschutzrackets.