»Flucht und Fluchthilfe werden kriminalisiert«

Der ehemalige Vorsitzende der NGO Cap Anamur, Elias Bierdel, hat 2004 mit seinem Schiff 37 afrikanische Flüchtlinge aus Seenot gerettet und in Sizilien an Land gebracht. Daraufhin sollte er wegen »Schlepperei« verurteilt werden, erst vor einem Jahr erfolgte der Freispruch. Bierdel leitet inzwischen die antirassistische Organisation »Borderline Europe«. Am 20. November erhält er den »Blue Planet Award« der Stiftung Ethecon.
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Sie haben schon mehrere Preise erhalten, verwundert Sie diese Anerkennung?
Als ich vom »Blue Planet Award« hörte, dachte ich zunächst, das sei ein Missverständnis. Das klingt so nach Umweltpreis. Dann habe ich verstanden, dass mit dem Preis Menschen ausgezeichnet werden sollen, die sich dafür einsetzen, dass das Leben auf diesem Planeten angenehmer und menschlicher wird. Und daher freut mich die Auszeichnung natürlich, zumal auch das andauernde Engagement gewürdigt wird, welches wir mit »Borderline Europe« zeigen – nämlich weiterhin zu schauen, was in punkto Menschenrechten an den europäischen Außengrenzen los ist. Und da sieht es ja wahrhaft finster aus. Und es wird immer repressiver.
Bei Cap Anamur wurde Ihr Verhalten weniger gewürdigt. Sie sind nach dem Vorfall nicht mehr wiedergewählt worden.
Ich verhehle nicht, dass es erhebliche Meinungsverschiedenheiten gab. Aber wir standen unter dem Eindruck einer massiven Kampagne, unter heftigem politischen Druck und unter dem Druck eines Strafverfahrens in Italien. Da hat die Mehrheit der Mitglieder des Vereins gesagt, wir müssen aufhören, uns um Flüchtlinge im Mittelmeer zu kümmern. Ich war gegenteiliger Ansicht. So kam es zum Bruch. Aber das ist lange her, und es war eine demokratische Entscheidung, die ich insofern immer respektiert habe.
»Schlepperei« wird immer noch in erster Linie mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht.
Den Ausdruck habe ich immer mit tiefster Empörung zurückgewiesen. Ich habe wenig Sympathie mit Leuten, die ihr Geschäft mit der Not anderer machen. Ich sehe aber auch, dass es in Europa eine verbreitete Kriminalisierung von Flucht und Fluchthilfe gibt. Insofern standen wir als sogenannte Schlepper exemplarisch vor Gericht. In Wirklichkeit ging es darum, dass die europäische Politik verhindern will, dass den ihrer Meinung nach falschen Menschen geholfen wird, nach Europa zu kommen. Nicht jeder Schauprozess endet so glimpflich wie unserer, und wir kümmern uns daher auch um tunesische Fischer, die als vermeintliche Schlepper verurteilt wurden.