Die Pläne der US-Republikaner nach dem Sieg bei den Kongresswahlen

Planlos, aber entschlossen

Die bei den Kongresswahlen siegreichen Republikaner haben angekündigt, Präsident Barack Obama so viele Probleme wie möglich zu bereiten.

Der Jubel war groß, doch ihr Erfolg gilt den meisten Republikanern nur als Etappensieg auf dem Weg ins Weiße Haus. »Die Priorität unserer Partei in den nächsten zwei Jahren wird die Abwahl des Präsidenten sein«, kündigte Mitch McConnell an. Er bleibt im Senat der republikanische Minderheitsführer, denn ungeachtet ihrer Verluste haben die Demokraten noch 53 von 100 Sitzen in der zweiten Kammer des Parlaments. Im Repräsentantenhaus hingegen verloren sie bei den Kongresswahlen am Dienstag der vergangene Woche mehr als 60 Sitze, dort haben nun die Republikaner die Mehrheit.
Am Tag nach den Wahlen gab sich Präsident Barack Obama staatstragend. Er räumte zwar keine politischen Fehler ein, sagte aber, er habe das deutliche Signal der Wähler verstanden. Der Präsident versprach, den Konsens mit der neuen republikanischen Mehrheitsführung zu suchen, und lud diese zu einem Gipfeltreffen ein, das in den kommenden Wochen stattfinden soll. Die Republikaner aber dürften kein Interesse an einem solchen Konsens haben, sie gaben sich ­angriffslustig. John Boehner, der wahrscheinlich Sprecher des Repräsentantenhauses werden wird, versprach eine »kompromisslose Haltung«.
Die Konfrontation mit dem Präsidenten zu suchen, erscheint für die Republikaner nicht nur aus Opportunitätsgründen geboten. Die Wahlen haben sie zwar gewonnen, doch bleibt unklar, welche Lösungen sie für die virulenten politischen Probleme, etwa die anhaltend hohe ­Arbeitslosigkeit oder das immense Handelsbilanz- und Haushaltsdefizit, anzubieten haben. Keine der beiden Parteien wisse, wie die »Große Rezession« beendet werden könne, schrieb Eliot Spitzer, der ehemalige Gouverneur von New York, ein Demokrat, nach der Wahl in der Online-Zeitschrift Slate. Eine überparteiliche Zusammenarbeit sei deshalb zwingend erforderlich, glaubt er.
Eine solche Zusammenarbeit aber würde offenbaren, dass den Republikanern konkrete politische Pläne weitgehend fehlen. Erfolgversprechender scheint es, weiterhin Obama für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich zu machen, dessen Vorschläge abzulehnen und von der Unzufriedenheit der Amerikaner zu profitieren. Noch größeren ökonomischen Einfluss hätte dann die US-Notenbank Federal Reserve, die am Tag nach den Wahlen ihren Plan bekanntgab, mit frischem Geld US-Staatsanleihen in Wert von 600 Milliarden Dollar zurückzukaufen. Beide Parteien werden daher versuchen, Einfluss auf Ben Bernanke, den Vorsitzenden der Fed, auszuüben.

Vor allem aber muss Obama damit rechnen, dass die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus alles tun wird, um ihm Probleme zu bereiten. Die Republikaner kontrollieren nun wieder die Ausschüsse. Das verschafft ihnen Einfluss auf die Haushaltspolitik, überdies haben sie die Möglichkeit, Untersuchungen gegen die Regierung einzuleiten. Darrell Issa, voraussichtlich der künftige Vorsitzende des Ausschusses, der die Regierung kontrolliert, hat in den vergangenen zwei Jahren fleißig kompromittierendes Material über den Präsidenten und die ihm unterstellten Ministerien und Behörden gesammelt. Er plant, ausgiebig von seinem Recht auf Vorladungen Gebrauch zu machen, um etwa Obamas noch weitgehend verborgenen Verhandlungen über die Gesundheitsreform zu durchleuchten.
Der Präsident soll möglichst handlungsunfähig sein, und die bislang von ihm durchgesetzten Reformen sollen ebenso diskreditiert werden wie er selbst. Ob den Republikanern das gelingt, wird auch davon abhängen, wie »sauber« Obama seine Staatsgeschäfte tatsächlich geführt hat. Die von Republikanern gegen Präsident William Clinton initiierten Untersuchungsausschüsse bewiesen aber auch, dass ein geringfügiger Anlass genügt, um einen Skandal zu inszenieren. Clinton musste 1999 sogar ein Amtsenthebungsverfahren überstehen. Viele der neu gewählten Tea-Party-Republikaner fordern bereits die Aufnahme eines solchen Verfahrens gegen Obama.
Auf die Gestaltung der Außenpolitik hat der Kongress geringeren Einfluss, doch werden die Republikaner im Repräsentantenhaus versuchen, auch in diesem Bereich alle ihre Möglichkeiten zu nutzen. Republikanische Hardliner wie Ileana Ros-Lehtinen und Eric Cantor fordern strengere Sanktionen gegen das iranische Regime, auch der Druck, militärisch vorzugehen, könnte steigen. Cantor und Ros-Lehtinen, die wohl künftig die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus sein wird, sind überdies Gegner der Nahost-Politik des Präsidenten. Sie kritisieren den Druck Obamas auf die israelische Regierung. Daher können auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Siedlerbewegung als Wahlgewinner gelten.
Ros-Lehtinen wurde in Havanna geboren, sie vertritt auch die Interessen der rechten Exilkubaner. Die langsame Lockerung des Embargos und die zaghafte, aber dennoch auf eine Normalisierung der Beziehungen zielende Kuba-Politik ­Obamas könnten ernsthaft bedroht sein. Auch die unter den Demokraten im Kongress formulierte, tendenziell protektionistische Handelspolitik gegenüber China dürfte in Frage gestellt werden. Unklar ist derzeit, wie der republikanische Sieg sich auf die von Obama und den Demokraten betriebene harte Währungspolitik gegenüber der Volksrepublik auswirken wird. Diverse bislang von den Demokraten blockierte Freihandelsabkommen werden jedoch erneut dem Repräsentantenhaus vorgelegt.
Auch für Obamas Plan, schrittweise die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan zu reduzieren, gibt es nun keine Mehrheit mehr im Kongress. Der wiedergewählte Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain und Buck McKeon, der wohl nächste Vorsitzende des Militärausschusses im Repräsentantenhaus, befürworten eine Intensivierung der Kriegsanstrengungen.
Die neu gewählten Senatoren und Abgeordneten nehmen ihre Sitze erst Anfang Januar 2011 ein. Die erste offene politische Konfrontation der neuen Ära in Washington wird jedoch noch in der laufenden Legislaturperiode stattfinden. Denn Ende Dezember laufen die von George W. Bush in den Jahren 2001 und 2003 durchgesetzten Steuersenkungen aus. Mehr als 750 Milliarden Dollar hat diese Regelung den Staat gekostet. Bislang waren sich Obama und die Demokraten einig, die Erleichterungen für die meisten Steuerzahler beizubehalten, jedoch die Senkung des Spitzensteu­ersatzes um drei Prozent auslaufen zu lassen. Die Republikaner haben angekündigt, lieber keine neuen Steuersenkungen zu beschließen als einer Anhebung des Höchstsatzes zuzustimmen.

Auch hinter dieser unnachgiebigen Haltung verbirgt sich Kalkül. Die Republikaner könnten im Präsidentschaftswahlkampf 2012 Obama als Befürworter von Steuererhöhungen brandmarken und damit Stimmen bei der vom Abstieg bedrohten Mittelschicht gewinnen. Die Regierung hat Ende voriger Woche signalisiert, dass Obama verhandlungsbereit ist und den Kompromiss sucht.
Derzeit spricht jedoch alles dafür, dass die Republikaner an ihrer bislang erfolgreichen Strategie der Blockade festhalten werden. Viele Experten und Kommentatoren führen die Niederlage der Demokraten auch darauf zurück, dass Obama zu kompromissbereit war und seine Anhänger enttäuscht habe. Unklar ist nun, wie die Demokraten im Kongress sich verhalten werden. Vielleicht bieten sie noch einmal den Republikanern und ihren finanzkräftigen Unterstützern die Stirn, bevor sie sich in die Opposition verabschieden.