Über den deutschen Sportjournalismus

Die Sperre

Der Fall Jörg Dahlmann ist symptomatisch für den deutschen TV-Sportjournalismus.

Wie es um den deutschen Sportjournalismus, jedenfalls im Fernsehen, beschaffen ist, lässt sich leicht anhand der Causa Jörg Dahlmann erklären. Dieser, nicht eben bekannt für übermäßig kritische Interviews, war in der vorvergangenen Woche nach dem 4:0-Sieg der Bayern gegen Cluj in der Champions League mit dem Münchner Trainer Louis van Gaal aneinandergerasselt. Der Anlass war eigentlich harmlos: Der Bayern-Coach hatte den dreifachen Torschützen Mario Gomez gelobt, woraufhin Dahlmann fragte: »Was ist mit dem Gomez? Haben wir den alle – Sie vielleicht inklusive – anfangs der Saison falsch eingeschätzt?« Van Gaal antwortete darauf zunächst sachlich, fügte dann jedoch hinzu: »Wenn Sie das nicht verstehen, ist das nicht mein Problem, sondern Ihres!« Und dann kam Dahlmann auf den Ärger zwischen Uli Hoeneß und van Gaal zu sprechen, was den Trainer noch ein bisschen ungehaltener machte – der Rest dürfte bekannt sein.
Obwohl es der Trainer war, der eindeutig entgleiste, nahm Sat 1 das Interview zum Anlass, den Reporter für einen Champions-League-Spieltag zu sperren. In einer Welt, in der Fernseh-Sportjournalisten sich als Journalisten und nicht als Mikrofonhalter verstehen, die gemeinsam mit Spielern und Trainern Siege bejubeln, wäre daraufhin dies passiert: Empört über das Einknicken eines TV-Senders vor einem Fußballverein, hätten sich die Kollegen Dahlmanns kurz beraten und wären dann unter einem hübschen Motto wie »Wir fragen, was wir wollen« in einen unbefristeten Streik getreten. In einer idealen Welt hätten sich Kameraleute, Techniker, Redakteure und am Ende sogar Hörfunk- und Zeitungsjournalisten dem großen Kampf ums Recht auf die ordentliche Beantwortung selbst kritischster Fragen, und das auch ohne irgendwelche Zickereien, angeschlossen, und ruckzuck wäre er wieder reaktiviert worden, der Dahlmann.
Aber leider ist die Welt des Fernseh-Fußballjournalismus nicht ideal, und vielleicht ist es nicht einmal das Publikum; denn irgendwoher muss er ja kommen, der penetrante Glaube der TV-Sender und Fußballvereine daran, dass die Zuschauer nichts schöner finden, als nach Spiel­ende Fragen zu hören wie: »Was ist das denn für ein Gefühl, nach so einem superphantastischen Sieg, über den wir uns alle so sehr freuen?« und Antworten wie: »Es ist ein ganz phantastisches Gefühl, wir können es noch gar nicht fassen, so superphantastisch ist das alles.«