Die Türken stehen in Wien!

»Österreich ist keine Kolonie der Türkei«, tobte Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Josef Buchner, Vorsitzender der FPÖ-Abspaltung BZÖ, sprach von einer »Österreich-Beschimpfung« und »türkischem Herrengehabe«. Der Grund für die Aufregung ist ein Interview, das der Botschafter der Türkei in Österreich, Kadri Ecved Tezcan, der Zeitung Die Presse ge­geben hatte, in dem er sich zur Integration von Türken in Österreich äußerte. Und das tat der 61jährige hochrangige Diplomat, der seit fast vier Jahrzehnten im Dienst des türkischen Außenamts steht, nicht eben diplomatisch. Bis auf ein paar Dummheiten sagte er meist schlicht und einfach die nackte Wahrheit: »Außer im Urlaub interessieren sich die Österreicher nicht für andere Kulturen«, so Tezcan. Die Österreicher müssten mit den Türken in Wien nun mal leben und sie endlich als zu Österreich gehörend akzeptieren. Integration sei ein soziales und kulturelles Problem, »aber in Österreich ist das Innenministerium für Integration verantwortlich«. Und wer das Innenministerium mit Integration beauftrage, erhalte »eine Polizeilösung«, so Tezcan. »Wenn Türken in Wien Wohnungen beantragen, werden sie immer in dieselbe Gegend geschickt, gleichzeitig wirft man ihnen vor, Ghettos zu formen«, kritisierte er. Dadurch würden die Türken in die Ecke gedrängt. Der Interviewer der Presse ließ kein Klischee und keine Missstände in der türkischen Community aus, um Tezcan herauszufordern, und der ging in die Offensive: »Die Türken sind glücklich, sie wollen nichts von euch. Sie wollen nur nicht wie ein Virus behandelt werden.«
Skandalös ist nicht das Interview, sondern vielmehr die Reaktionen vieler Österreicher, die sich längst nicht auf die aus den Reihen der Rechtspopulisten beschränken. Von einer »unglaublichen Entgleisung« sprach Innenministerin Maria Fekter von der ÖVP. Der österreichische Bundeskanzler Werner Fayman von der SPÖ zeigte sich »empört«. Ös­tereichische Tageszeitungen schrieben völlig sinnfrei von einem türkischen Sarrazin, Rücktrittsforderungen wurden laut. Doch seinen Job als Diplomat darf Tezcan vermutlich behalten. Die türkische Regierung machte deutlich, das er lediglich seine »persönlichen Ansichten« geäußert habe. Und schon vor Beginn des Interviews hatte Tezcan gefragt: »Wollen Sie, dass ich im Interview als Diplomat antworte, was langweilig wird? Oder soll ich als jemand antworten, der seit einem Jahr in Wien lebt und viele Kontakte zu den 250 000 Türken hier hat?«