Steckengeblieben im Zeitkanal

Berlin Beatet Bestes. Folge 72. Ramma Damma: Ich bin dein Taugenichts (1975).

Exzentriker haben es schwer in Deutschland. Wir Dichter und Denker haben nie einen Liberace, Serge Gainsbourg, nicht mal einen Elton John hervorgebracht. Siegfried & Roy wären hierzulande nie berühmt geworden. Exzentrik liegt uns nicht, sie gilt als aufdringlich und künstlich, nicht als »flashy« und kunstvoll. Wir lieben die Authentischen, Ehrlichen und Bescheidenen: Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Wir sind Helden. Wir lieben die Langweiligen. Auch im Ausland schätzt man uns für unsere Derrick-Tugenden: Zuverlässigkeit, Geradlinigkeit und Strenge. German Engineering und Techno made in Berlin sind unsere deutschen Markenzeichen.
In kultureller Hinsicht haben wir der Welt leider wenig zu geben, denn wir belügen uns selbst. Jeder Künstler ist schließlich exzentrisch und muss es auch sein, um, wie der Duden es definiert, »vom Mittelpunkt abzuweichen«. Nur durch Abweichung vom Bekannten ist Kunst überhaupt erkennbar. Das deutsche Fremdwörterlexikon beschreibt Exzentriker allerdings auch als »überspannte und verschrobene Menschen«. In England hat jedes Dorf seinen Exzentriker, bei uns möchte niemand so genannt werden. Der international bekannteste exzentrische Popstar aus Deutschland ist Nina Hagen. Und sonst fällt mir auch schon niemand mehr ein. Vielleicht noch Heino, der Inbegriff deutscher Spießigkeit. Der gilt zumindest im Ausland als echt schräg. Im ersten Band des Standardwerks über unglaublich seltsame Musik, »Incredibly Strange Music«, stellt Jello Biafra seine Sammlung der Platten des platinblonden Germanen mit der schwarzen Sonnenbrille vor.
Mit seiner exzentrischen Erscheinung hat sich Ramma Damma 1975 jedenfalls viel Mühe gegeben. Wohl ohne Erfolg, ich konnte jedenfalls nichts mehr über ihn in Erfahrung bringen. Im Internet findet sich nur ein Bild einer weiteren Ramma-Damma-Single und eine Erklärung für den Begriff. In München heißt rama dama so viel wie »räumen tun wir«. Der Spruch geht auf den Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer zurück, der 1949 die Bürger dazu aufforderte, die Stadt von den Kriegstrümmern freizuräumen. Der Gesang von Ramma Damma erinnert mich aus irgendeinem Grund an die Simpsons-Episode »Die Akte Springfield«, in der Mr. Burns grün leuchtend und unter Drogeneinfluss ruft: »Ich bringe euch … Liiiiebe.« Der Text ist allerdings ziemlich cool und besingt genau das, was auf dem Cover zu sehen ist:

»Ich bin dein Taugenichts / Ja wirklich, ich taug zu nichts / Nur in der Liebe bringst du mich auf Trab /Nur in der Liebe racker ich mich gerne ab / Ich hab auf meinem Auto grünes Gras und bin auch sonst nicht ganz von hier / Ich pfeif auf dies und pfeif auf das und fantasier’ / Denn wer am Tag viel Unsinn macht, ist König in der Nacht / Ich geh mit meinem Blumentopf spazier’n und hänge rum im Zeitkanal /Ich will die Welt hypnotisier’n, seid doch nicht so, nicht so normal / Denn wer am Tag viel Unsinn macht, ist König in der Nacht.«