Die iranischen Interessen im Irak

Wie libanesisch wird der Irak?

Ob der Iran zu den Gewinnern der neuen Herrschaftsverhältnisse im Irak gehört, ist längst nicht ausgemacht.

Nach langen acht Monaten seit der Wahl scheint es endlich soweit zu sein: Der Irak wird bald eine Regierung unter dem bislang amtierenden Premier Nuri al-Maliki und Präsident Jalal Talabani haben. Die Verlierer stehen auch schon fest: Es sind Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten, die bis zuletzt versucht hatten, eine schiitisch dominierte Regierung zu verhindern – sowie die USA, deren Einfluss im Irak im vergangenen halben Jahr allerdings erodiert ist. Einen Gewinner gibt es, nämlich das irakisch-kurdische politische Establishment. Denn es war letztlich dem Präsidenten der kurdischen Autonomieregion im Irak, Massoud Barzani, zu verdanken, dass die neue Regierung überhaupt zustande kommen konnte. Ausgerechnet die Kurden also, denen immer nachgesagt wird, eigentlich nur einen eigenen Staat anzustreben, haben erneut gezeigt, welch wichtige Rolle sie im Irak spielen.
Und der Iran? Für Patrick Cockburn vom Independent ist die Sache klar: Die irakische Regierungsbildung markiere nicht nur das Ende amerikanischer Hegemonie, sondern auch einen Sieg des Iran. Erstgenanntes ist richtig: Der mit der Abwicklung des Irak-Einsatzes beauftragte Joe Biden hat in den vergangenen Monaten ein klägliches Bild abgegeben. Niemand wollte auf ihn hören. Zuletzt drängten die USA gar die mit ihnen eng verbündeten Kurden, auf das Präsidentenamt zu verzichten, und ernteten dafür heftige Unmutsäußerungen. Mit der Allianz zwischen Kurden und Amerikanern dürfte es vorerst vorbei sein.
Die Regierungsbildung erscheint auf den ersten Blick als Niederlage der USA und damit als Sieg des iranischen Regimes, auch weil mit der Liste Muqtada al-Sadrs radikale Alliierte des Iran in die Regierung einziehen. Ist der Weg jetzt offen für eine Libanonisierung des Irak, indem al-Sadrs Leute die Rolle der Hizbollah übernehmen?
Sicher, der Iran wird weiter großen Einfluss nehmen können, ob diplomatisch oder indem er Milizen und Terrorbanden finanziert. Die Amerikaner werden abziehen und den Irak sich selbst überlassen. Und sobald eine irakische Regierung etwas gegen iranische Interessen planen sollte, werden, wie bisher auch, Bomben detonieren. Nur: Obwohl der Iran mit Geld und Drohungen monatelang versucht hat, eine ihm genehme Regierung in Bagdad zu installieren, war es am Ende eben ein dem Iran keineswegs so wohl gesonnener irakischer Kurde, dem der Durchbruch gelang. Die Symbolik wird man auch in Teheran verstanden haben, der Irak ist eben kein Satellit, in dem man beliebig schalten und walten kann.
Beliebt sind die iranischen Machthaber keineswegs, Irakis wissen, dass die Einflussnahme des Iran zur Destabilisierung ihrer Lage führt. Will der Iran also die historische Chance nutzen, die ihm die USA im Nahen Osten bieten, müsste er im Irak die Rolle des wohlwollenden Hegemons spielen, der bereit wäre, wenn nötig, um der langfristigen Stabilität willen, eigene Interessen zurückzustellen. Das aber kann die Islamische Republik nicht, denn ihre Machthaber verfügen über keinerlei langfristiges Konzept, was sie, außer am Ruder zu bleiben und Israel zu vernichten, eigentlich wollen. Deshalb ist es keineswegs erwiesen, ob der Iran nicht langfristig – die Frage wäre, wie viele Tote später? – doch auch zu den großen Verlierern des Prozesses zählen wird.