Liebt die Serie »Breaking Bad«

Chemie ist gut

»Breaking Bad« ist eine Serie, in der der amerikanische Traum als Farce erzählt wird und die von einem Chemielehrer handelt, dem nur noch der Einstieg ins Drogengeschäft bleibt.

Hollywood geht es mal wieder nicht so gut. Es reicht zwar noch für den neuen »Harry Potter« und irgendwas in 3D, aber so etwas wie, sagen wir mal, »Der Pate« kriegt ein durchreglementiertes und hasenfüßiges Studiosystem, in dem das meiste Geld für grotesk überbezahlte Stars verpulvert wird, nicht mehr hin. Das Fernsehen schon, zumindest das amerikanische. »Die Sopranos« war wie »Der Pate«, nur eben Dutzende Stunden lang und mit billigen Schauspielern, die man erst selber groß gemacht hat.
Das Hollywoodkino unserer Tage muss sich an kleingeistigen Details wie Altersbeschränkungen orientieren und darauf achten, dass beim Product Placement die Werbepartner immer zufrieden sind und der Schluss des Films eine Fortsetzung zulässt. Denn es geht am Ende eben doch vor allem um Geld. Amerikanische Spitzenserien dagegen verzichten lieber gleich auf eine Jugendfreigabe und werden von Bezahlsendern entwickelt, die nicht darauf achten müssen, ihren Werbekunden ein passendes Umfeld zu liefern.
Und so werden hier mit viel Mut und einem enormen Willen, immer verrücktere Stoffe zu entwickeln, all diese fantastischen Serien produziert. Über Vampire und den Rassismusdiskurs (»True Blood«), einen Mafiaboss als Familenvater und Therapiepatienten (»Die Sopranos«) oder einen Chemielehrer, der Lungenkrebs im End­stadium hat und seine Therapie bezahlt, indem er Crystal Meth in immer größerem Stil vertickt (»Breaking Bad«). Selbst eine Zombieserie (»The Walkind Dead«) läuft inzwischen mit großem Erfolg auf AMC in den USA.
Als ob sich die Serien auch schon im Setting vom großen Hollywoodkino unterscheiden wollten, werden sie nicht mehr unbedingt in Los Angeles oder New York angesiedelt, sondern in der Provinz oder in eher unglamourösen Städten. »Die Sopranos« handelten von New Jersey, »The Wire« spielte in Baltimore und »Breaking Bad« ist so richtig im wasteland angesiedelt: In Albuquerque in New Mexico, in unmittelbarer Nähe zur Wüste, lebt Walter White mit seiner Familie. Er hat eine hübsche, weit jüngere Frau und einen behinderten Sohn. Er ist Chemielehrer an einer Schule, obwohl er bei seinem Talent mindestens eine Universitätslaufbahn hätte einschlagen können. Doch ganz offensichtlich ist er auch so einigermaßen zufrieden. Da sein Gehalt trotzdem nicht reicht, bessert er es nebenbei in einer Autowaschanlage auf. Der amerikanische Traum scheint eben einfach nie bis nach Albuquerque vorgedrungen zu sein, weswegen Walter gar nie auf die Idee gekommen ist, so etwas wie eine Karriere anzustreben.
Die macht er dann aber trotzdem. Nur anders als gedacht. Bald führt er ein Doppelleben als naiv wirkender Familenvater und als gesuchter Drogenboss mit dem Szenenamen »Heisenberg«. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Moralsysteme, die zunehmend in einen Konflikt miteinander geraten, gehört zum Aufregendsten, was man je im Fernsehen erleben konnte.
Anfangs denkt man noch: Komödie. Zu grotesk wirkt es, wie Walter seine ersten tapsigen Versuche im Drogengeschäft macht. Wie er und sein ehemaliger Schüler Jesse Pinkman, der Walter die Kontakte in die Drogenszene besorgt, beispielsweise die erste Leiche entsorgen. Diese ist irgendwann nur noch ein in Säure aufgelöster Matschklumpen, der von der Decke tropft. Das ist tatsächlich lustig. Diese Art von Humor, der an Filme wie »Fargo« oder auch »Pulp Fiction« erinnert, bleibt zwar erhalten, doch schon bald wird die Serie immer düsterer. Denn man sieht und hört Walter seinen Krebs an, die Haare fallen ihm aus und andauernd ist er am Husten. Oder die Kamera nimmt die Position Walters ein, der gerade seinen Morgenurin ablässt, und man sieht, wie dieser sich blutig rot färbt. Das sind so Szenen, bei denen man vergisst, dass man hier wirklich fernsieht.
Schnell ist »Breaking Bad« also weit mehr als diese irre Geschichte eines Unbedarften, der plötzlich in Drogen macht. Man erlebt vielmehr, wie einer im amerikanischen Gesundheitssystem bei einer Diagnose wie Krebs entweder eine Hypothek auf sein Haus aufnehmen muss, falls er eines hat, oder wie er lieber gleich auf die Chemo verzichtet, um sich und seine Familie nicht hoffnungslos zu verschulden. Oder man macht es doch so wie Walter. »Breaking Bad« ist eine Serie, die den Amerikanern vielleicht doch noch klar machen könnte, dass Obamas Gesundheitsreform nicht etwas ist, das sich der böse Kommunismus ausgedacht hat. Immerhin ist ein Ende der Serie, deren dritte Staffel gerade in den USA versendet wurde und deren zweite Staffel gerade auf Arte läuft, noch nicht in Sicht. Da können sich die Amerikaner noch ein wenig überlegen, ob sie bei der andauernden Krisenstimmung in Zukunft lauter Walters wollen oder lieber doch nicht.
Das Auf und Ab eines Krebspatienten, das ist der eine große Handlungsstrang in »Breaking Bad«, der andere ist, wie Walter im Drogengeschäft seinen Crashkurs in Machiavellismus nimmt. Wie er lernt, Stärke zu beweisen in diesem Business und sich im entscheidenden Moment mit den Bossen anzulegen. Sie oder ich, diese Frage zu beantworten, fällt Walter mit der Zeit immer einfacher. Immer rücksichtsloser geht er vor, wobei die aufgrund seiner Krankheit ausgefallenen Haare ihm sogar helfen, rein von der Physiognomie her immer respekteinflößender auf seine Gegner zu wirken. Walter sieht immer drahtiger aus, und sein glattrasierter Schädel verleiht ihm eine optische Härte, hinter der der nette Chemielehrer, den er zwischendurch ja auch noch spielen muss, immer mehr verschwindet.
Folge für Folge verstrickt sich Walter in immer wahnwitzigere Konstruktionen aus Lügen und Brutalität, und immer häufiger fragt man sich: Wie will er da jemals wieder rauskommen? Und: Will er das überhaupt noch?