Geprügelte Piraten

Ein Bekenntnis zum Recht auf eine sichere Existenz, kostenlose Kita-Plätze und die Gleichstellung aller Partnerschaften, unabhängig von Geschlecht und Anzahl der Partner – die Ergebnisse des Programmparteitags der Piraten in Chemnitz hätten sogar Kritikern der Partei imponieren können. Schlagzeilen über Handgreiflichkeiten hinterließen jedoch einen ganz anderen Eindruck, und den haben die Piraten einer Altlast zu verdanken, die den Namen Bodo Thiesen trägt. Dabei war das, was am Samstag über die Nachrichtenagenturen mit Titeln wie »Prügelei auf dem Parteitag« verbreitet wurde, nur das Resultat einer Verzögerungstaktik. Auch nach anderthalb Jahren ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, ob der Holocaust-Relativierer die Partei verlassen muss.
Vorige Woche reichte Mirco da Silva einen Antrag ein, in dem er forderte, Thiesen bis zur Entscheidung des zuständigen Landesschiedsgerichts auszuschließen. Mit Ausnahme des Parteivorsitzenden Jens Seipenbusch stimmte der Vorstand dafür. Thiesen hätte keine Akkreditierung für den Parteitag erhalten dürfen. Er kam trotzdem und erhielt ein Teilnehmerbändchen. Das ihm, übrigens im Beisein eines Piratenvorstands, von da Silva vom Arm gerissen wurde. Der Vorfall wurde von einem Parteimitglied namens Klaus Schimmelpfennig beobachtet. Dieser hatte sich vor einigen Wochen vehement gegen einen Aufruf der Parteiführung gewandt, eine Demonstration für das bedingungslose Grundeinkommen zu unterstützen, und einen – später als ironische Provokation deklarierten – Antrag an den Vorstand unterzeichnet, als Ausgleich die Demo des Nazi-Bündnisses »Gegen das Vergessen« 2011 in Dresden ebenfalls zu unterstützen. Wie Thiesen schrieb Schimmelpfennig einen empörten Bericht, in dem von »körperlicher Gewalt« die Rede war. Die Schilderungen reichten dem Versammlungsleiter, da Silva vom Parteitag auszuschließen. Nach Protesten via Twitter wurde diese Entscheidung zurückgenommen. An den negativen Schlagzeilen änderte das nichts.