Warum wollte die EU Irland unbedingt helfen?

Lasst euch helfen!

Irland wurde regelrecht dazu gedrängt, die Hilfe der EU anzunehmen. Die Euro-Staaten fürchten um die Auswirkung der irischen Krise auf die anderen Pleitekandi­daten.

Jetzt also Irland. Nachdem die Regierung in Dublin bei der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) offiziell um Hilfe gebeten hat, ist das Entsetzen auf der Insel groß. In den Zeitungen ist von »Demütigung«, »Verrat« und einer »nationalen Schande« die Rede. Wochenlang hatte sich die Regierung gesträubt, eine entsprechende Anfrage zu stellen. Nun musste Finanzminister Brian Lenighan erklären, dass das Land »mehrere zehn Milliarden Euro« benötigt, um das marode Bankensystem zu sanieren.
Daraufhin kündigten die Grünen an, die Regierungkoalition zu verlassen. Am Montag gab Ministerpräsident Brian Cowen dem Druck nach und erklärte sich bereit, im Frühjahr Neuwahlen abzuhalten – vorausgesetzt, der Haushalt für 2011 ist bis dahin verabschiedet.
Im Gegensatz zur griechischen Schuldenkrise im Frühjahr, als die deutsche Regierung mögliche Hilfen monatelange hinauszögerte, wurde Irland regelrecht dazu gedrängt, die Unterstützung anzunehmen. Vor allem eine Entscheidung auf dem EU-Gipfel im Oktober beschleunigte das irische Desaster erheblich. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte bei dem Treffen durchgesetzt, dass künftig auch private Gläubiger bei einer staatlichen Insolvenz mit haften müssen.
Kurz darauf schossen die Abschläge für irische Staatsanleihen in die Höhe. Für neue Kredite musste die Regierung nun über acht Prozent Zinsen zahlen, vier Mal so viel wie beispielsweise die Bundesregierung für deutsche Staatsanleihen. Kaum jemand glaubte noch, dass die irische Regierung unter diesen Umständen in der Lage sei, den Staatshaushalt auch nur halbwegs zu konsolidieren. Rund 50 Milliarden Euro hat die irische Regierung bisher in die Sanierung der Banken gesteckt und damit ein Haushaltsdefizit von 32 Prozent des BIP aufgehäuft – mehr als zehn Mal so viel, wie der Stabilitätspakt erlaubt.
Bedrohlicher als das irische Desaster sind jedoch die Auswirkungen auf die anderen potentiellen Euro-Pleitekandidaten. Auch die Zinsen für portugiesische, spanische und italienische Staatsanleihen zogen deutlich an. Der portugiesische Außenminister Luis Amado räsonierte kürzlich öffentlich darüber, dass seinem Land der »Ausschluss aus dem Euro« drohe, wenn nicht bald eine Sanierung der Staatsfinanzen gelinge.
Davon ist aber kaum auszugehen. Im kommenden Jahr droht Portugal eine schwere Rezession, und schon jetzt hat die Regierung große Mühe, neue Kredite auf dem Kapitalmarkt aufzutreiben. Wahrscheinlich ist das Land der nächste Kandidat, der »gerettet« werden muss – mit fatalen Folgen, wie der Fall von Griechenland zeigt. Wegen der extremen Sparmaßnahmen schrumpft die Wirtschaft des Landes bald im zweiten Jahr. Eine ähnliche Entwicklung droht jetzt Irland. Die EU will dort nicht nur die bereits radikalen Kürzungen weiter verschärfen, sie verlangt zudem höhere Unternehmenssteuern. Auf den niedrigen Steuersätzen gründete aber das irische Wirtschaftswunder der vergangenen Dekaden. Wenn damit Schluss ist, bleibt vom einstigen »keltischen Tiger« nicht mehr viel übrig.
Eine Alternative zum Angebot der EU gibt es derzeit nicht. Ein Vorschlag der südeuropäischen Länder, eine Euro-Staatsanleihe aufzulegen, die von der gesamten Eurozone getragen wird, scheiterte am Widerstand von Deutschland und Österreich. Dort kann man offenbar gut damit leben, dass die Eurozone in zwei Teile zerfällt: in eine Reihe insolventer Staaten und in jene, die die Regeln diktieren. »Wir werden mit unseren irischen Freunden über die anstehenden Schritte beraten«, sagte Anfang der Woche der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. »Sie werden sich einem guten Rat nicht verweigern.«