»Nur noch ein Anhängsel«

So schnell kann es gehen: Jahrzehntelang betrieben verschiedene linke Gruppen den Kampf gegen die Wehrpflicht, dann kommt Karl-Theodor zu Guttenberg und setzt den Militärdienst einfach aus. Ein Mitarbeiter der »Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung«, die bislang auch Beratungen für Wehrpflichtige angeboten hat, spricht über die Bundeswehrreform.

Macht Verteidigungsminister Guttenberg Sie arbeitslos?
Das nicht. Aber in Zukunft fällt natürlich zwangsläufig unsere Wehrpflichtberatung weg. Aktive Soldaten beraten wir aber noch.
In welcher Hinsicht?
Wir beraten Soldaten, die die Truppe verlassen wollen. Aber da hat das Kriegsministerium auch Sorge getragen: In Zukunft gelten die ersten sechs Dienstmonate als Probezeit, während der die Soldaten von heute auf morgen gehen dürfen.
Können Sie der Aussetzung der Wehrpflicht etwas Gutes abgewinnen?
Einerseits ist es zu begrüßen, wenn Hunderttausende junger Menschen nicht mehr ihrer Grundrechte beraubt werden. Dennoch haben wir gemischte Gefühle.
Inwiefern?
Die Aussetzung der Wehrpflicht ist verknüpft mit einer Reform, die dazu führt, dass die Bundeswehr zu 100 Prozent auf die imperialistischen Kriege der nächsten Jahrzehnte ausgerichtet wird. Die Entscheidung wurde schon vor etlichen Jahren getroffen, nämlich unter Rot-Grün im Jahr 2004. Damals wurde die Zahl der Wehrpflichtigen auf 30 000 verkleinert, die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten blieb gleich. In den Anweisungen des damaligen Verteidigungsministers Struck hieß es, die Verringerung der Wehrpflichtigenzahl sei so zu gestalten, dass die militärischen Kompetenzen nicht darunter leiden. So kam es auch.
Der Wegfall der Wehrpflicht ist also für das Militär vollkommen belanglos.
Genau. Die Truppe der Wehrpflichtigen war längst nur noch ein Anhängsel für die Bundeswehr.
Wird die antimilitaristische Arbeit schwerer, wenn niemand mehr persönlich von der Wehrpflicht betroffen ist?
Da die Wehrpflicht in den vergangenen Jahren schon so organisiert war, dass ohnehin nur noch ein Bruchteil der jungen Männer direkt betroffen war – 50 Prozent wurden ausgemustert, viele wurden einfach vergessen –, werden wir keine großen Veränderungen spüren. Die Entpolitisierung der Wehrpflichtfrage hat in den letzten Jahren längst stattgefunden, was auch eine Entpolitisierung der Verweigerung zur Folge hatte.