Kellergeister

Das angeschossene Reh hat Sendepause. Seit der Veröffentlichung von »Third« (2008) hört man die Stimme von Portishead-Sängerin Beth Gibbons nicht mehr. Und leidet selbst ein bisschen weniger. Produzent und Arrangeur Geoff Barrow schert sich derweil einen Dreck um die Gefühle der Portishead-Fangemeinde und macht ausschließlich, worauf er Bock hat. Im letzten Jahr war das die Spontan-Gruppe Beak. Mit ihr schaffte er kurzerhand das Licht ab und entwarf stur am Markt vorbei eine postapokalyptische Kraut-Drone-Psychedelic-Welt. Ab und zu seufzte ein verwirrtes Gespenst. Das war’s.
Barrows jüngstes Unternehmen »Anika« trägt den Vornamen seiner sprechsingenden Protagonistin – eine sympathische Geste. Und ein tolles Projekt der abermals im freien Geiste des Postpunks genial dilettierenden Beak-Mitglieder Billy Fuller (am Flummi-Funk-Wave-Bass), Vintage-Synthesizer-Freak Matt Williams und Barrow – mit einem weiteren Auftritt als lebende Gelegenheits-Drum-Machine. Zwölf kurze Tage waren sie im Studio. Das hört man, und man soll es auch hören: Das Ergebnis schleppt und wackelt wie eine Keller-Session. Und wenn Anika die fünf Töne mit ihrer distanzierten Nico-Stimme dann und wann nicht trifft, umso besser.
Obgleich es sich bei »Anika« um ein Album mit – teils politisch gemeinten – Klassikern von Yoko Ono (»Yang Yang«), Bob Dylan (»Masters Of War«) oder Skeeter Davis (»The End Of The World«) handelt, denkt man beim Hören eher an No-Wave- und Post-Punk-Bands wie A Certain Ratio, ESG, Joy Division und Liquid Liquid. Viel zu oft wird gecovert; hier geht es um Verwandlung.

Anika: Anika (Invada/­Cargo Records)