Die Razzia beim Radiosender FSK war verfassungswidrig

Härter als erlaubt

Im Jahr 2003 durchsuchte die Polizei den Hamburger Radiosender FSK. Dass die Razzia unverhältnismäßig war und der Einschüchterung des freien Radios diente, entschied nun das Bundesverfassungsgericht.

Um aus dem Polizeieinsatz gegen den Hamburger Radiosender Freies Sender-Kombinat (FSK) eine filmreife Leistung zu machen, hätte nur noch ein über das Dach eindringendes Sondereinsatzkommando gefehlt: Im November 2003 hatten sich zwei Hundertschaften samt Räumgerät, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz Zutritt zu den Räumen des nichtkommerziellen Radiosenders FSK verschafft, das Studio für etliche Stunden vollständig abriegelt, mehrere Ordner und Notizbücher beschlagnahmt, mehr als 50 Lichtbilder angefertigt und mit Drohungen verhindert, dass im laufenden Sendebetrieb über die Razzia berichtet werden konnte (Jungle World 50/03). Der Rechtsstreit, ob der Polizeieinsatz im Jahr 2003 rechtmäßig war, zog sich über Jahre. Nun wurde er entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat das Vorgehen der Hamburger Polizei vergangene Woche in einem Grundsatzbeschluss für verfassungswidrig erklärt.

Angeblicher Anlass für den Einsatz der behelmten Polizisten war ein Interview, das der Sender vier Wochen vor der Durchsuchung mit dem damaligen Polizeipressesprecher Ralf Kunz gesendet hatte. Nach Ansicht von Kunz war das Interview ohne sein ausdrückliches Einverständnis aufgezeichnet und gesendet worden, er fühlte sich in der »Vertraulichkeit des Wortes« verletzt. Die Durchsuchung des Senders sollte den Ermittlungsakten zufolge entsprechende Beweismittel sicherstellen und Aufschluss über die Identität des Interviewers und weiterer Beteiligter geben.
Weniger beachtenswert als die »Vertraulichkeit des Wortes« eines offiziellen Polizeisprechers erschien der Behörde die Unverletzlichkeit der Wohnung des Redakteurs Werner P., die ohne richter­lichen Durchsuchungsbeschluss zur selben Zeit durchsucht wurde wie die Räume des Senders. Der Redakteur wurde im Jahr 2006 wegen des Interviews zu 40 Tagessätzen verurteilt, nachdem das Hamburger Amtsgericht zuvor eine Strafe von 80 Tagessätzen angesetzt hatte (Jungle World 04/05). Radio FSK hatte nach der Razzia geklagt, um die Verfassungswidrigkeit der Durchsuchung feststellen zu lassen. Weil die Klage von Hamburger Gerichten abgewiesen wurde, reichte der Sender schließlich eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.
Mit Erfolg. Wie das Bundesverfassungsgericht nun feststellte, waren die Durchsuchung, das Fotografieren der Räume und die Sicherstellung interner Unterlagen unverhältnismäßig. Damit wurden auch die Hamburger Gerichte abgestraft, wäre es doch ihre Aufgabe gewesen, den Polizeieinsatz vorzeitig zu verhindern oder dessen Unrechtmäßigkeit wenigstens im Nachhinein festzustellen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist die Razzia geeignet gewesen, den Sender erheblich einzuschüchtern und so dessen Bereitschaft zur kritischen Berichterstattung erheblich zu gefährden. Das Gericht bemängelte, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die »Reichweite der Pressefreiheit« verkannt hätten. Besonders diese Einschätzung findet Zsutimmung bei den Radiomacher vom FSK. »Wir freuen uns insbesondere über seine Feststellung, dass von der völlig unverhältnismäßigen Razzia eine einschüchternde Wirkung hätte ausgehen können«, kommentierte Torsten Michaelsen, Mitglied des FSK-Vorstands. Damit benenne das Gericht »den eigentlichen Zweck, den der Großeinsatz im Sendestudio hatte«.

Dass die Polizei im November 2003 Radio FSK offenbar einschüchtern wollte, lag vor allem an der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule. Das Radio hatte die Räumung und die darauffolgenden Proteste sowie das vielfach gewalttätige Vorgehen der Polizei dokumentiert. Um die Berichterstattung zu verhindern, hatte die Polizei bereits am Tag der Räumung des Bauwagenplatzes zwei Redakteure unter dem Vorwurf der Sachbeschädigung festgenommen. Es folgten mehrere Übergriffe auf Mitarbeiter des Senders, die Demonstrationen begleiteten.
Auch offenbaren die Prozessakten im Fall des verurteilten Redakteurs Werner P., dass es es bei der Durchsuchung seiner Wohnung schlicht um Einschüchterung ging. Wer das Interview mit dem Polizeisprecher geführt hatte, war den Behörden vor der Durchsuchung bekannt. Der Redakteur hatte sich dem Polizeisprecher mit vollem Namen und in seiner Funktion vorgestellt, der vollständige Sendemittschnitt, den die Polizisten vorgeblich suchten, lag der Staatsanwaltschaft schon vor der Durchsuchung vor. Dass die überaus naheliegende Intention der Polizei nun auch vom Gericht für möglich gehalten wird, ist erfreulich. Dass die Justiz für die banale Einsicht sieben Jahre brauchte, allerdings weniger.