Die Debatte um ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Gema für das Internet

Der Streit um die von der Bundessregierung geplante Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage hat eine netzpolitische Debatte über Nutzungsrechte im Internet entfacht. Für die Befürworter eines solchen Rechts geht es darum, »Qualitätsjournalismus zu schützen«, Gegner sehen darin einen Eingriff in die Informationsfreiheit.

Es ist längst bekannt: In der Beziehung zwischen Journalismus und Internet läuft nicht immer alles reibungslos. Ein Beispiel dafür liefert derzeit eine Diskussion, die eine immer größere Öffentlichkeit erreicht. Es geht um das sogenannte Leistungsschutzrecht, einen Versuch von Presseverlagen, im Internet eine neue Einnahmequelle für sich zu etablieren. Der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) argumentieren, die von Verlagen online gestellten journalistischen Produkte würden ständig kommerziell weiterverwendet, doch das Online-Geschäft laufe an den Verlagen vorbei. Das sei ungerecht und bedrohe den »Qualitätsjournalismus«.

Schon vor der letzten Bundestagswahl hatten die Verlage das Thema aufgebracht. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Einführung des Leistungsschutzrechtes vor. Wie definiert sich diese Leistung, die nun per Gesetz geschützt werden soll? Es geht in erster Linie nicht um den klassischen Urheberschutz, also um die Verwertungsrechte der Schreibenden (die zumeist freiberuflich arbeiten). Damit aus deren Produkten, den Texten, eine Zeitung, ein Magazin oder ähnliches wird, ist eine weitere Leistung nötig: der Beitrag eines Verlags. Der Verlag, argumentieren die beiden Verlegerverbände in ihren Online-Beiträgen zu dieser Debatte, brauche »eine urheberrechtliche Handhabe gegen die Verwertung der Leistungen, die er in das Entstehen und die Verbreitung des Presseproduktes investiert hat«. Man wolle eigentlich »nicht mehr als das, was andere – nämlich Fernsehsender, Konzertveranstalter, Filmproduzenten, Datenbankhersteller und viele weitere Branchen – seit Jahrzehnten haben«, schreiben der BDZV und der VDZ in einer Pressemitteilung.
Im Dezember bildete sich die »Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht« (Igel), die auf ihrer Website eine kritische Informationsplattform zur Debatte um das Leistungsschutzrecht für Presseverleger anbietet. Die Gegner des Leistungsschutzrechts argumentieren überzeugend, dass Fernsehsender, Konzertveranstalter und Filmproduzenten tatsächlich auch eigene schützenswerte Leistungen vollbringen, Presseverlage hingegen nicht. Die Verlage wollen nämlich Texte, auch kurze Ausschnitte davon, geschützt wissen. Die meisten dieser Texte sind aber nicht ihre ureigenen Produkte.
Tatsächlich dürfte das der entscheidende Schwachpunkt in der Argumentation der Befürworter des Leistungsschutzrechts sein. Denn: Dass Verlage eine Eigenleistung erbringen, steht außer Frage – aber nur bezogen auf die Druckerzeugnisse, die aufwendig hergestellt werden und auch gestaltet werden müssen. Für diese Presseprodukte selbst wird aber gar kein neues Schutzrecht eingefordert. Warum auch? Sie werden nicht massenhaft weiterkopiert. Es geht vielmehr um Artikel, die ins Netz gestellt werden. Diesbezüglich besteht die Leistung eines Verlages im Wesentlichen im Aufbau eines Internetauftritts und im Kopieren von Artikeln aus der gedruckten Zeitung. Soll dafür eine neue Rechtsprechung etabliert werden?
Peter Klotzki, Pressesprecher des VDZ, ist fest davon überzeugt. »Verlage investieren in der Regel viel Geld in die Internetauftritte ihrer Publikationen«, sagte er der Jungle World. Bislang würden die Online-Inhalte überwiegend durch die Erlöse der gedruckten Zeitungen finanziert, berichten die Verlage, aber dieses Finanzierungsmodell habe keine Zukunft. »Pech gehabt!« tönt es nun aus vielen Ecken der Internetcommunity, die befürchtet, bei der Forderung des Leistungsschutzrechts gehe es darum, ein Geschäftsmodell per Gesetz zu retten.
Für diese Kritik hat Klotzki Verständnis, entgegnet aber: »Als die Verlage ihre Internet-Angebote aufbauten, war es nicht klar, dass eine so starke Monetarisierung erfolgen würde.« Sie seien »unbekümmert, zu offen« in dieses Feld gegangen. Die Hoffnung auf Anzeigenerlöse habe sich aber nicht ganz erfüllt.
Zumindest gibt der Pressesprecher zu, dass die Sache »ambivalent« sei, da eine Weiterverwendung der Artikel durch Dritte auch dem eigenen Ruf diene. »Gute Inhalte stärken die Marke«, sagt er. Als Ungerechtigkeit bezeichnet er es aber, dass andere von der Arbeit der Verlage lebten.

Diese Beschwerde mutet seltsam an. Stellen die Verlage sämtliche Inhalte nicht freiwillig kostenlos ins Netz, und erlauben sie nicht den Zugriff von Suchmaschinen und Nachrichtendiensten, die ihre Artikel weiterverwerten? Nun schlagen sie ein Lizenzierungsmodell vor, für das eine neutrale Institution ähnlich der Gema geschaffen werden soll, die umfassende Lizenzen vergibt. Die Idee ist immer noch vage, auch Klotzki kann wenig Konkretes dazu sagen: »Das Monetarisierungssystem steht noch nicht fest. Es geht aber um Vorabsprachen.« Und wie sieht es eigentlich mit Strafen aus? Klotzki will nicht darauf nicht eingehen, dass das Ganze nur bei der gleichzeitigen Installierung eines Kontrollapparates funktionieren würde. Auch in einer Erklärung, die im Internet erschienen ist, versuchen Verlage, den Eindruck zu vermeiden, repressive netzpolitische Maßnahmen zu befürworten: »Das Online-Geschäft der Zukunft basiert nach den Vorstellungen der Verlage auf Freiwilligkeit, ebenso wie bei den Printpublikationen der Gegenwart.«
Um das Leistungsschutzrecht in der Praxis durchzusetzen, müsste im Internet kontrolliert werden, wer auf Verlagsinhalte zugreift und sie zu gewerblichen Zwecken kopiert. Das ist nicht nur netzpolitisch sehr heikel. Die Gruppe Igel behauptet zudem, dass das geltende Urheberrecht für Fälle von unautorisiertem Speichern oder Abdruck von Artikeln ausreichend sei.
Die neuen Kosten, die durch eine gesetzliche Verankerung des Leistungsschutzrechts für Firmen entstehen würden, die Verlagsprodukte im Internet gewerblich nutzen, kritisierten bereits im September 22 Wirtschaftsverbände – vom Bauernverband über den Einzelhandel und den IT-Verband Bitkom bis zur Großindustrie – in einer gemeinsamen Erklärung. Sie sprechen vor allem von einer Wettbewerbsverzerrung und »Beschränkung der Informationsfreiheit«.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Gewerkschaft Verdi haben hingegen zwar Vorbehalte gegen die Forderung der Verlage, scheinen den Vorschlag jedoch eher positiv aufzunehmen. Vor allem Verdi wurde dafür von der Bewegung für Netzfreiheit angegriffen, wenn auch nicht in allen Punkten zu Recht. Die Kritik war so harsch, dass der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft und Leiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie, Frank Werneke, einen offenen Brief in der Mitgliederzeitung M. Menschen machen Medien veröffentlichte. Darin spricht er sich nicht prinzipiell gegen den Wunsch der Verlage aus, ein Leistungsschutzrecht gesetzlich zu verankern. Der Grund: »Verdi ist die größte Organisation von Urheberinnen und Urhebern in Deutschland.« In besagtem Fachbereich ist nicht nur die neben dem DJV zweite große Journalismus-Gewerkschaft DJU organisiert, sondern etwa auch der Verband deutscher Schriftsteller und der Verband deutschsprachiger Übersetzer. Deren Mitglieder könnten möglicherweise ebenfalls von einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage finanziell profitieren. Der DJV und Verdi zeigen sich also prinzipiell kooperationsbereit, wenn ihre Klientel auch an den Einnahmen beteiligt wird.
Wernekes Behauptungen, eine interne Diskussion zu diesem Thema sei weiterhin erwünscht, quittieren einige Mitglieder mit Hohn. Die Kölner Autorin und Übersetzerin Andrea Kamphuis behauptet sogar in einem langen Internet-Text, über Monate das genaue Gegenteil erlebt zu haben und deshalb aus Verdi ausgetreten zu sein.

Könnte ein neues Verlagsrecht das Urheberrecht sogar einschränken? Das befürchten die Aktivisten der Gruppe Igel, wenn bei der im Journalismus prinzipiell gebräuchlichen Zweitverwertung eines Textes oder eines Textausschnittes immer auch der Verlag der Ersterscheinung mitreden könnte. Klotzki schließt dieses Risiko aus, einen anderen Kritikpunkt kann er jedoch nicht auf Anhieb widerlegen. Die Initiative gegen Leistungsschutzrecht zweifelt nämlich an, dass die kommerzielle Nutzung von Verlagsinhalten bedeutende Ausmaße habe. Klotzki erwähnt dazu nur einen Einzelfall: »Ein News-Dienst hat mal 3 000 Artikel der Süddeutschen Zeitung nach Österreich verkauft.«
Da fragt sich erstens, warum die Zeitung selbst solch ein Paket nicht anbieten konnte. Und zweitens: Warum verlangen die Verlage nicht prinzipiell Geld für Online-Artikel, wie es ja immer wieder diskutiert wird? Doch eine generelle Kostenpflicht sieht Klotzki, mit Ausnahme der Software für mobile internetfähige Geräte, außer Reichweite: »Es hat sich etabliert, im Internet nicht zu zahlen. Das kann man nicht rückgängig machen.«