Der Langnese-Jazzer

Berlin Beatet Bestes. Folge 79. Boyd Bachmann: »Die Omama aus Omaha« (1965).

Gelegentlich kaufe ich eine Platte, obwohl mir der Interpret des Stückes gar nicht bekannt ist. Ich hoffe einfach, dass das Internet schlauer ist als ich. Im Fall von Boyd Bachmann lässt sich nicht viel in Erfahrung bringen: keine Wiederveröffentlichungen seines Werks, kein Wikipedia-Eintrag und keine Diskografie. Nach etwas Recherche habe ich trotzdem eine interessante Geschichte rund um Bachmann zusammentragen können.
Borge Gustav »Boyd« Bachmann (1908–1981) wurde in Kopenhagen als Sohn der Sängerin Carla Bachmann geboren und machte sich zunächst als Schlagzeuger und Entertainer in verschiedenen Kopenhagener Orchestern einen Namen. Von 1927 bis 1928 spielte er im Orchester Valdemar Eibergs, der die erste dänische Jazz-Platte aufnahm. Bis 1930 spielte Bachmann in verschiedenen dänischen Swing-Orchestern, bis er nach Italien ging. Als Beleg findet sich auf Youtube eine schöne, ultraschnelle instrumentale Swing-Version von »Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt’«, auf der Borge Bachmann Schlagzeug spielt, aufgenommen 1931 mit dem italienischen Columbia Jazz Orchestra.
Wenn sich ein freundlicher Schelllackplattensammler nicht die Mühe gemacht hätte, sein Fundstück zu präsentieren, hätte ich diese Aufnahme sicher nie ­gehört. Nach Engagements in verschiedenen europäischen Ländern und einem einjährigen Aufenthalt in den USA kam Bachmann 1934 zusammen mit dem aus Deutschland geflüchteten jüdischen Jazzgeiger und Orchesterchef Paul Godwin nach Amsterdam. Dort heiratete er 1939 eine Holländerin und gründete sein eigenes Boyd-Bachmann-Swing-Orchester. Während des Krieges wurde er von den Deutschen verhaftet, weil er in seinem Orchester Juden versteckt hatte. Jazz war in der Nazizeit geächtet, und obwohl er noch immer gespielt und aufgenommen wurde, hielten es viele dänische Jazzmusiker in den letzten Jahren der Besatzung für nötig, das Land zu verlassen.
Nachdem der so eng mit der europäischen Jazzgeschichte verbundene Boyd Bachmann sein komödiantisches Talent bereits in den vierziger Jahren in Revuen seines Orchesters gezeigt hatte, begann er in den fünfziger Jahren eine zweite Karriere als Schauspieler in Film und Fernsehen. In deutschen Komödien wie »Mal drunter – mal drüber« (1960) und »Hurra, bei uns geht’s rund« (1971, neben Trude Herr, Dieter Thomas Heck, Bill Ramsey und Marius Müller-Westernhagen in seiner ersten Rolle) spielte er meist den kauzigen Alten. 1970 tauchte er sogar in der Kinowerbung für Langnese auf. Ein Bild davon ist seltsamerweise auch auf vorliegender Vogue-Single zu sehen. Mit lustigem dänischen Akzent singt Bachmann in dem angebeateten Nonsens-Schlager davon, wie eine »Omama aus Omaha« aus den USA endlich die langersehnte Erbschaft bringt: »Eine Ananas, ein Zahnputzglas mit ’nem wunderschönen Bild von Heidelberg, eine Mickymaus und ein Katzenhaus. Dazu einen Indianergartenzwerg.«