Neue Talente

Die Koalitionspartner der schwarz-gelben Bundesregierung streiten sich um die Steuerpolitik. Neu ist das nicht. Das machen sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Und die Zeiten, als sich die an dem Bündnis beteiligte Politiker freudestrahlend bescheinigten, dass man den »Wunschpartner« gefunden habe, mit dem das ersehnte »Wunschbündnis« eingegangen werde, sind schon so lange her, dass man sie getrost verdrängen kann. »Regieren geht anders«, kommentierte die Welt lapidar, und der Autor gab sich demonstrativ angeödet vom »Reigen der gegenseitigen Ohrfeigen« und den »neuen Scharmützeln der ewigen Schlacht« zwischen den Regierungspartnern. Beim Spiegel bemühte man sich mit der Überschrift »FDP eröffnet Wahlkampf gegen die Union« zwar noch ambitioniert darum, ein wenig Spannung in die Sache zu bringen. Wenige Sätze später folgt allerdings die resignierte Feststellung, dass sich die FDP wohl derzeit an einem »neuen Gymnastikprogramm« übe. Immerhin scheint die Freude darüber groß zu sein, dass zumindest ein neuer Protagonist die Arena betreten hat. Statt Guido Westerwelle »probt« nun FDP-Generalsekretär Christian Lindner »den Generalangriff« (Welt). Der wegen seiner sanften Stimme und seiner Jugendlichkeit in den Medien früher gerne mit dem Kosenamen »Bambi« versehene Lindner agitierte gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der bisher eher als Lieblingsfeind Westerwelles galt. Die Welt lobte Lindners »feine Ironie« und »Schlagfertigkeit«, der Spiegel entdeckte einen »neuen Tonfall« und die Süddeutsche sprach vom »aufmüpfigen Talentschuppen«. Das Wort »Talentschuppen« hatte Guido Westerwelle am Montag bei einem Besuch in der eher therapeutisch orientierten Talkshow von Reinhold Beckmann verwendet. Der noch amtierende Parteivorsitzende wirkte müde und geradezu verstörend handzahm. Die Rolle des Provokateurs scheint ihm Lindner gerade streitig zu machen. Den Job des Parteivorsitzenden vielleicht bald auch.