China will den Euro retten. Das kommt in Europa gut an

Gute Freundschaft ist wie eine Tasse Tee

Man muss auf den Grund schauen können. So lautet eine alte chinesische Weisheit. Derzeit bietet sich China ganz freundschaftlich als Euro-Retter an. Allerdings nicht aus ganz uneigennützigen Motiven.

Die Welt kann nicht nur schlecht sein, wenn man dem stellvertretenden chinesischen Premier­minister Li Keqiang Glauben schenkt. Die Regierung in Peking wolle »mit allen Völkern eine harmonische Welt dauerhaften Friedens und gemeinsamer Prosperität aufbauen«, schrieb er kürzlich in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung. China werde daher den betroffenen EU-Staaten dabei helfen, ihre Schuldenkrise zu überwinden. Bis zu fünf Milliarden Euro plant China demnach in portugiesische Papiere zu investieren, rund sechs Milliarden Euro in spanische Staatsanleihen.
»Gute Freunde sind da, um zu helfen, wenn es einer braucht«, hatte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao bereits im vergangenen Oktober fröhlich verkündet, als er die Regierung in Athen besuchte. Selbstverständlich sei man bereit, griechische Staatsanleihen zu erwerben, sobald das Land wieder an die Finanzmärkte zurückkehre, ergänzte er. Auch Irland hoffte damals auf Unterstützung aus China.

Bei den klammen EU-Staaten kommen solche Äußerungen gut an. Die angekündigten Summen sind angesichts der enormen Schulden der süd­europäischen Länder bescheiden, haben aber große psychologische Bedeutung. »Die Worte des stellvertretenden chinesischen Premierministers lassen darauf hoffen, dass der Druck auf die spanische Wirtschaft und nicht zuletzt auch auf den Euro zumindest vorübergehend verringert wird«, kommentierte vergangene Woche die spanische Tageszeitung El Pais.
Fragt sich nur, warum die Regierung in Peking ausgerechnet auf den weichen Euro setzt. Leisten kann sie sich die großzügigen Angebote zwar allemal – das Land verfügt über die weltweit größten Devisenreserven in Höhe von 2,6 Billionen Dollar. Doch aus reiner Freundlichkeit wird China kaum Gelder an die notleidende Europäer vergeben, zumal vieles darauf hindeutet, dass sich die Euro-Krise weiter verschärfen wird. Inzwischen häufen sich die Forderungen nach einer Umschuldung der griechischen Kredite, was faktisch einer Bankrotterklärung des Landes gleichkäme. Portugal steht kurz davor, unter den sogenannten Euro-Rettungsschirm zu flüchten, was wiederum Spanien in schwere Bedrängnis brächte. Belgien und Italien könnten dann die nächsten Pleite-Kandidaten sein. Und selbst das vermeintlich so starke Deutschland könnte bald unter den Krisenfolgen leiden. Wenn aus den Euro-Ländern, in die Deutschland exportiert, keine Nachfrage mehr kommt, werde es schwierig, sagte Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, gegenüber Spiegel online. Er prognostiziert deswegen schrumpfende Löhne und sinkende Wachstumsraten.
Allerdings passt gerade ein schwacher Euro derzeit nicht zu den strategischen Interessen der chinesischen Regierung. Ein großer Teil ihrer Devisenreserven ist in Dollar angelegt. Und angesichts der strukturellen Überschuldung der US-Wirtschaft nehmen sich die europäischen Probleme fast bescheiden aus. Um den Risiken vorzubeugen, die sich aus einem maroden US-Dollar ergeben, muss China seine Devisenreserven diver­sifizieren und das Übergewicht an US-Wertpapieren abbauen. Als Alternative bietet sich dabei, zumindest vorübergehend, nur der Euro an. Keine andere Währung, außer dem US-Dollar, verfügt derzeit weltweit über eine entsprechende Akzeptanz. Die Tage des Dollar als Leitwährung seien jedenfalls gezählt, erklärte Chinas Präsident Hu Jintao selbstbewusst vergangene Woche bei seinem Staatsbesuch in den USA.
Europa ist zudem der größte Handelspartner Chinas. Ebenso wie die deutsche ist auch die chinesische Wirtschaft auf eine aggressive Export­strategie ausgerichtet. Der einheimische Konsum reicht bei weitem nicht aus, um die ehrgeizigen Wachstumsziele Pekings zu erfüllen. Fällt aber der Euro, dann sinkt auch die Nachfrage nach chine­sischen Produkten.
Nebenbei stärken die Investitionen in den Euro den politischen Einfluss. So wünscht sich China ein Ende des Waffenembargos, das die Europäer nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 über das Land verhängt haben. Ebenso sollen die Beschränkungen bei der Ausfuhr von Hochtechnologien aufgehoben werden. Und sicherlich hätte die Regierung in Peking nichts dagegen, wenn sich die Europäer künftig mit ihrer Kritik wegen der notorischen Menschenrechtsverletzungen und mit den regelmäßigen Plagiatsvorwürfen zurückhalten würden.

Gründe gibt es also genug für Peking, den Euro zu stützen. Dennoch sind die Ankündigungen von Li Keqiang nicht unumstritten. Die Volksrepublik solle sich der damit verknüpften Risiken bewusst sein, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen ehemaligen Berater der chinesischen Zentralbank. Anstatt griechische oder spanische Staatsanleihen zweifelhafter Qualität aufzukaufen, solle China in die Bonds des EU-Rettungsschirms investieren.
Dabei handelt es sich um Anleihen, die eine Aktiengesellschaft in Luxemburg mit dem umständlichen Namen Europäische Finanzstabili­sierungsfazilität (EFSF) herausgibt. Die Wertpapiere werden von allen Mitgliedern der Euro-Gruppe gemeinsam getragen und sind daher weit weniger mit Risiken belastet als die Anleihen einzelner Länder.
Die Nachfrage an diesen Euro-Anleihen ist groß. So denkt die japanische Regierung, die über die zweitgrößten Devisenreserven der Welt verfügt, darüber nach, mehr als 20 Prozent der Anleihen zu erwerben. Eine Stabilisierung der Euro-Zone sei schließlich im Interesse von starken Exportna­tionen wie Japan oder China, sagte der japanische Finanzminister Yoshihiko Noda.
Bislang hatte sich vor allem die deutsche Regierung vehement gegen einen Eurobond ausgesprochen. Mit der EFSF-Anleihe wird diese Form der kollektiven Kreditaufnahme nun durch die Hintertür eingeführt – und vermutlich bald auch noch ausgebaut. Denn schon jetzt ist absehbar, dass der bisherige EU-Rettungsfonds im Fall weiterer Pleiten nicht mehr ausreicht. Die Regierungen der Euro-Zone können sich immerhin sicher sein: Der größte Gläubiger der Welt wartet bereits darauf.