Neues Verfahren gegen die Nazi-Webseite Altermedia

Klatsch, Tratsch und Popcorn

In der Vergangenheit ist es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen, die Verantwortlichen der deutschen Nazi-Seite Alter­media zu ermitteln. In einem neuen Verfahren soll dies gelingen.

Manche lesen Artikel und Diskussionsbeiträge auf Altermedia, um sich einfach nur zu amüsieren. »Scheiße, mein Popcorn ist alle.« So kommentierte ein erheiterter Leser der Internetplattform, der sich demonstrativ das Pseudonym »Antifa« gegeben hatte, die Diskussion über einen Text von Christian Worch vom Februar 2010, in dem es um den Nazi-Aufmarsch in Dresden ging. Auch der bekannte Nazi Worch meldete sich noch einmal mit einem Kommentar zu Wort: Er selbst sei leider nicht in Dresden gewesen und habe stattdessen für Freunde Spaghetti gekocht. Worch konnte aber noch mit der Anekdote aufwarten, seine Großmutter habe dem NS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie zur Flucht verholfen. Für weitere Unterhaltung sorgten die beiden Kommentatoren »Friese Hamburg« und »Volker«, die sich gegenseitig beschimpften und mit Drohungen überzogen. Die Administratoren von Altermedia störte die Szeneschlammschlacht offensichtlich nicht, sie zog sich noch bis zum Kommentar Nummer 267 hin.

Auf solche unterhaltsamen Einblicke muss der Leser »Antifa« in Zukunft unter Umständen verzichten. Der seit 2003 bestehenden deutschen Internetseite, die »Worldwide News For People of European Descent« verbreitet, wie es in ihrem Logo heißt, könnte das Ende bevorstehen. Die Staatsanwaltschaft Rostock hat ein Verfahren gegen zwei Männer aus Stralsund, Axel M. und Robert R., eingeleitet, die in Deutschland für das Internetportal verantwortlich sein sollen. »Es ist Anklage erhoben worden«, bestätigt Maureen Wiechmann, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft. Es gehe um 50 Straftaten, darunter Volksverhetzung, Beleidigung, Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen und Verunglimpfung von Verfassungsorganen.
In mehreren, teilweise noch laufenden Verfahren haben die Behörden bereits versucht aufzuklären, wer für die Veröffentlichungen auf Altermedia verantwortlich ist – bisher mit wenig Erfolg. Alex M. und Robert R. hatten zwar schon mehrfach in Gesprächen mit Journalisten angedeutet, Altermedia zu betreiben, das konnte ihnen aber vor Gericht bislang nicht nachgewiesen werden. Nun gibt sich die Staatsanwaltschaft jedoch zuversichtlich. »Wir gehen davon aus, dass sie die verantwortlichen Adminis­tratoren sind«, sagt Wiechmann. »Das lässt sich durch die Überwachung des DSL-Anschlusses und Computer­beschlagnahmungen nachweisen. Sie haben selbst Texte verfasst und Leserzuschriften ein­gestellt. Sie waren selbst an den Computern tätig.«
Altermedia ist eine international bekannte Internetplattform für Nazis, in 22 europäischen Staaten gibt es zurzeit Portale in der jeweiligen Landessprache. Dass der Server, von dem aus die Seite unterhalten wird, in den Vereinigten Staaten steht, wird auch in der Anklageschrift gegen Axel M. und Robert R. erwähnt. Gründer und Betreiber der Hauptseite von Altermedia ist nach Erkenntnissen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2004 der US-Amerikaner David Duke, eine ehemalige Führungsfigur des Ku-Klux-Klan. Duke lebt wahrscheinlich schon seit Mitte der achtziger Jahre im österreichischen Zell am See und reist für Vorträge und Veranstaltungen durch Europa. Er soll sich an seinem Wohnort auch mit Personen aus dem internationalen rechtsextremen Spektrum treffen und von dort aus seine gesamte elektronische Kommunikation für seine Websites und filmischen Botschaften erledigen, wie etwa Recherchen des österreichischen Abgeordneten Karl Öllinger ergeben haben, der für die Grünen im Nationalrat sitzt (Jungle World 22/09).

»Die österreichischen Behörden beobachten David Duke nicht, denn wir haben keinen Grund zur Annahme, dass David Duke hier eine Straftat begehen wird oder dass ein Verdacht einer Straftat vorhanden ist«, sagte der Leiter des österreichischen Verfassungsschutzes, Peter Gridling, 2009 dem österreichischen Fernsehen, als Dukes Aufenthalt in Österreich für Schlagzeilen sorgte. Die Gelassenheit des Verfassungsschützers ist erstaunlich, denn auch die österreichische Altermedia-Seite ist alles andere als harmlos. »Altermedia gratuliert zum inoffiziellen Nationalfeiertag des deutschen Glaserhandwerks«, überschrieben die Betreiber einen Artikel am 9. November 2010. In dem Text riefen sie dazu auf, »dem Judentum« erneut eine »volkspädagogische Lektion« zu erteilen.
Solche antisemitischen Ansichten findet man auch im deutschen Portal. Unter einem Bericht über die Auseinandersetzung des deutschen EU-Abgeordneten Martin Schulz mit seinem britischen Kollegen Godfrey Bloom lassen sich die Kommentatoren aus. »Ob Schulz oder dieser Inseljude, es ist alles ein und dasselbe Pack«, schreibt einer. »Seine widerliche Visage sieht jedenfalls wie die von Jud Süss aus«, befindet ein anderer über Schulz. Neben Artikeln, die offensichtlich zu antisemitischer Hetze anregen, übernehmen die ­Betreiber auch Texte aus anderen rechts­extremen Publikationen, unter anderem aus den Zeitschriften Blaue Narzisse und Sezession, die eher der sogenannten Neuen Rechten zugerechnet werden. Daneben haben die Kolumnen rechtsextremer Autoren wie Michael Winkler und Claus Nordbruch ihren festen Platz auf der Seite.

Auf das anstehende Gerichtsverfahren reagierte Altermedia Deutschland mit demonstrativer Siegessicherheit. Die Staatsanwaltschaft sei dabei, einen »Schauprozess mit voluminöser Anklage zu konstruieren, an dessen Ende nicht die Angeklagten, sondern die Ankläger als eigentliche Verlierer und lächerliche Personen dastehen werden«. Das Portal Altermedia sieht »dem Verfahren mit heiterer Gelassenheit entgegen, kann es sich doch sicher sein, den Prozess in jedem Fall zu gewinnen, ganz gleich wie er auch ausgehen mag«.
Falls es mit der Seite dennoch zu Ende gehen sollte, müssen deutsche Nazis keinesfalls trauern. Im neuen Nachrichtenportal »Deutschland­echo«, das aus der der DVU nahestehenden Plattform »Gesamtrechts« hervorging, sind bereits dieselben alten Bekannten zu finden. »Mag sein, dass ich ein ›Anführer‹ bin, ein ›Stratege‹ oder was immer man über mich gesagt hat. Aber in erster Linie bin ich Soldat. Politischer Soldat.« Christian Worch packt auch dort gern seine Bekenntnisse aus.