Alptraumfrau

»Lisa« heißt der jüngste Roman von Thomas Glavinic. Der Titel ist klug gewählt, schließlich ist Lisa allgegenwärtig, so wie der Vorname. Allerdings fühlt man sich von einem Vornamen wohl kaum verfolgt. Als wahrhaft unheimliche Verfolgerin aus Fleisch und Blut wiederum denkt sich Tom, der Ich-Erzähler, »seine« Lisa zurecht. Man darf das ruhig so sagen, darf auf das Hirngespinstartige dieser Frauenfigur hinweisen. Eine Massenmörderin soll sie sein. Hat auf dem halben Erdball Brüste amputiert, junge Frauen erwürgt, Nieren aus Körpern geschnitten, gefoltert und verstümmelt. Angeblich.
Die Allgegenwart Lisas ist das atmosphärische Triebmittel der Geschichte. Im Mittelpunkt steht indes die durch schwersten Konsum von Kokain und Whisky gepushte, paranoid gefärbte Schwatz-Suada unseres ziemlich einsamen Helden. Der hat sich mit seinem kleinen Sohn in einer Hütte in den Bergen verschanzt und quatscht nun Abend für Abend ein virtuelles Publikum übers Internetradio platt – falls jemand zuhört.
Tom faselt von Sex, Drogen, Ex-Frauen, tanzenden Katzen, italienischen Filmen, besessenen Polizisten und tausend anderen Dingen. Es ist kaum zum Aushalten! Und doch eine recht gelungene Abbildung des ganz normalen egomanischen Laber-Wahnsinns unserer Gegenwart im Web 2.0. Ironisch, traurig, ein bisschen lustig, ziemlich nerv­tötend – ja, all das ist dieser Roman. Nur schaurig nicht. Und Spannung kommt schon gar keine auf. Die Geschichte bleibt, wo sie ist, bewegt sich nicht. Schade.

Thomas Glavinic: Lisa.Hanser-Verlag, München 2011, 208 Seiten, 17,90 Euro