Hat Norduganda vor den Präsidentschaftswahlen besucht

Die Tankstelle unter dem Mangobaum

Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Uganda ist die Situation im Land angespannt. Die Regierungspartei von Präsident Yoweri Museveni zeigt sich sieges­sicher, kann ihre Nervosität aber nicht verbergen. Der Präsident versucht um jeden Preis, an der Macht zu bleiben. Im Norden des Landes kauft die Regierungspartei die Unterstützung von Schmugglergruppen ein, die der Bevölkerung nahe stehen.

Arua ist eine kleine Stadt im Nordwesten Ugandas, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo und zum Sudan. Die Grenznähe hat die Stadt in ein pulsierendes Handelszentrum verwandelt. Lastwagen fahren die mit rotem Staub bedeckten Straßen entlang. In Werkstätten werden Fahrzeuge repariert, Möbel gebaut oder Metallteile verschweißt. Entlang der Straßen und auf einem riesigen Marktareal werden Waren aller Art angeboten. Doch es ist nicht leicht, in dieser Umgebung zu überleben. Die Stadt ist vom Zentrum des Landes isoliert und nur mit einer ungenügenden Infrastruktur ausgestattet. Die urbane Jugend in Arua lebt in großer Perspektivlosigkeit. Die Jugendlichen überleben zumeist mithilfe von Gelegenheitsjobs, die sie im geschäftigen Treiben der Stadt finden. Sie wissen, dass sie es damit nicht sehr weit bringen werden. Diese Jugendlichen sehnen sich nach Veränderung. Sie fühlen sich von Präsident Yoweri Museveni und seinem National Resistance Movement (NRM) allein gelassen und benachteiligt. »Wir Jungen haben viele Probleme, die Armut ist hart. Aber das NRM kümmert sich nicht darum«, sagt ein Motor­rad­taxifahrer, »jedes Mal kommt die Partei wieder und verspricht irgendwas, aber wir warten vergebens.« Ein Kollege fügt hinzu: »Museveni selbst sagte einmal, dass man am Rande des Feldes nicht dicht aussät, weil die Körner dort von den Ratten gefressen werden können. Wir sind der Rand des Feldes.« Manche glauben, dass Museveni auch Gutes für Uganda getan hat. Aber viele stimmen zu, wenn es heißt, dass es jetzt Zeit für ihn sei zu gehen.
Museveni hatte kurz nach seiner Machtübernahme im Jahr 1986 gesagt, es sei Afrikas Problem, dass seine Präsidenten nicht verstünden, wann es Zeit sei, zu gehen und anderen die Führung des Landes zu überlassen. Er schrieb in der Verfassung des Landes fest, dass Präsidenten nur zwei Legislaturperioden lang im Amt bleiben dürfen. Später hob er mit einer Verfassungsänderung diese Bestimmung auf und ebnete sich damit den Weg, weiterhin Uganda zu regieren. 25 Jahre nach seiner Machtübernahme ist Museveni immer noch Präsident. Und er will es bleiben.
Aus diesem Grund geht es in Uganda bei der Wahl eigentlich um die Entscheidung, ob es Veränderung im Land geben soll oder nicht. Oft benutzen die Menschen und die Medien die Ausdrücke »Change« und »No Change«, wenn sie über die Regierung und die Opposition sprechen. Diejenigen, die keine Veränderung wollen, sagen, mit Museveni seien endlich Frieden, Sicherheit und Fortschritt in Uganda eingekehrt. Sie sind davon überzeugt, Uganda sei auf dem richtigen Weg, und sie haben Angst vor einer politischen Veränderung, die zu Instabilität im Land führen könnte. Doch die positiven Entwicklungen unter Museveni haben fast ausschließlich im Süden des Landes stattgefunden. Dass ist eine Tatsache, die auch die sogenannte internationale Gemeinschaft lange ignoriert hat. Die Machtübernahme Musevenis machte es möglich, den von Despoten und Kriegen zerstörten Süden des Landes allmählich wieder aufzubauen. Im Norden Ugandas begann unter Museveni hingegen eine Zeit von Konflikten zwischen der Regierung und den Rebellen, unter denen die Zivilbevölkerung bis heute leidet. Auch die befriedeten Gebiete im Norden haben wenig von Musevenis Regime profitiert. Die Mehrheit der Bevölkerung fühlt sich dort deswegen alleingelassen.
Ich habe Arua vor genau einem Jahr zum ersten Mal besucht, um einen Dokumentarfilm über die »Opec-Boys« zu drehen. So nennt sich die Gruppe, die verschiedene Waren, vor allem aber Benzin, von Kongo nach Uganda schmuggelt und in den Straßen von Arua verkauft. Der Opec-Handel ist eine Tätigkeit für die Jugend in Arua, die in anderen Jobs nicht weit gekommen ist. Die Gruppe, die damals gefilmt wurde, verkauft heute das Benzin unter einem Mangobaum im Zentrum von Arua. Die Männer schienen damals wie Symbolfiguren für die gescheiterte Legitimität des ugandischen Nationalstaats im Norden des Landes. Sie sahen es als ihr Recht an, Benzin aus dem Kongo in Uganda zu verkaufen. »Unsere Vorfahren haben im Grenzgebiet gehandelt, lange bevor es überhaupt den Staat Uganda gab«, sagte damals Ismael, der Anführer der Gruppe, »warum sollten wir jetzt plötzlich Steuern an eine Regierung zahlen, die nichts tut, um uns zu helfen?«

Ein Jahr später scheint sich vieles geändert zu haben. Der Mangobaum, an dem die Opec-Boys ihr Benzin verkaufen, ist von oben bis unten mit Plakaten von Museveni und seinem NRM zugepflastert. Auf Schildern ist zu lesen: »Wir Opec wünschen dem NRM viel Erfolg« oder »Opec für NRM«. Wie konnte zu diesem plötzlichen Stimmungswandel kommen?
Eine Erklärung könnte die britische Herrschaft sein, die mit ihrer Kolonialpolitik eine Teilung zwischen dem Norden und dem Süden des Landes verursachte, die bis heute die ugandische Politik bestimmt. Während für die zivile Verwaltung vor allem Ugander aus dem Süden rekrutiert wurden, bestand das Militär vor allem aus Nordugandern. So kam es, dass nach der Unabhängigkeit eine Reihe von Despoten aus dem Norden das Land regierte, deren Macht sich vornehmlich auf das Militär stützte. Zu ihnen gehört auch das Regime Idi Amins in den siebziger Jahren. Als tansanische Truppen 1979 in Uganda einmarschierten und Amin das Land verlassen musste, flohen auch viele Menschen aus dem Nordwesten in den Kongo. Sie hatten Angst vor Vergeltungsakten des neuen Regimes, denn Amin stammt aus einer Gegend unweit von Arua. Im Exil lernten die Flüchtlinge, durch Benzinhandel zu überleben, und als sie zu Beginn der achtziger Jahre in ihre Heimat zurückkehrten, etablierten sich die Opec-Boys als feste Organisation.
Die frühen neunziger Jahre waren die goldene Zeit der Opec-Gruppe. Sie verkaufte nicht nur Benzin in großen Mengen in der gesamten West Nile-Region, sondern beteiligte sich an vielen anderen Geschäften. Sie hatte beispielsweise zwei eigene Baufirmen. Bei den Opec-Boys ging es um weitaus mehr als ums Geldverdienen. Einheiten der Opec-Boys sorgten für Ordnung in den Straßen Aruas und verfolgten Diebe und Kriminelle. Die Organisation war auf das Prinzip gegenseitiger Unterstützung aufgebaut. Mitglieder mit genügend Kapital halfen anderen, wenn sie einen eigenen Handel aufmachen wollten. In einer Region, wo der Staat sehr wenig Präsenz zeigte und die Menschen auf sich selbst gestellt waren, wurde die Gruppe zu einem kleinen Alternativstaat. Der berühmte Anführer der Opec-Boys, Kaku, vereinte die Organisation unter seiner Führung und wurde so zu einem der mächtigsten Männer im Nordwesten Ugandas.

Die Opec-Organisation ist älter als Musevenis Regime selbst. Die Schmuggler waren von Museveni, einem Südugander, der sich wenig um die Belange des Nordens zu kümmern schien, wenig angetan. Als 1996 die ersten Wahlen unter Musevenis Herrschaft stattfanden, unterstützten die Opec-Boys die Opposition. Ihre Position in der Gesellschaft sorgte dafür, dass Museveni eine Niederlage im Nordwesten Ugandas hinnehmen musste. Das NRM, das bis dahin die Opec-Boys toleriert hatte, versuchte daraufhin, die Gruppe zu zerschlagen. Kaku und andere Führungspersönlichkeiten wurden verhaftet und gefoltert. Kaku wurde später unter strikten Auflagen aus dem Gefängnis entlassen. Arua darf er bis heute nicht betreten. Eine Weile verdiente er Geld mit dem Betrieb von öffentlichen Toiletten in Juba im Südsudan. Jetzt arbeitet er für den ugandischen Nachrichtendienst.
Auch wenn die Macht der Opec-Boys gebrochen war, existierte die Gruppe weiter. Alle wesentlichen Elemente haben sich bis heute erhalten. Wird beispielsweise das Benzin eines Mitglieds von der Regierung konfisziert, sammelt die Gruppe, um dem Mitglied ein neues Startkapital zu geben. Auch der Einfluss auf die Bevölkerung ist noch immer groß. Zusammen mit den Taxiständen der Motorradfahrer sind die »Tankstellen« der Opec-Boys ein wichtiger Treffpunkt.
Es sind diese Eigenschaften, die die Opec-Boys nun so attraktiv für Musevenis NRM machen. In Arua wurden der Opec-Gruppe bis zu drei Millionen ugandische Shillings (rund 940 Euro) angeboten, um sie auf die Seite des NRM zu bringen. Dass sich die Regierungspartei die politische Unterstützung viel kosten lässt, ist in Uganda allgemein bekannt. Täglich wird in der Presse von Fällen berichtet, in denen das NRM Personen oder Gruppen bezahlt, um ihre Unterstützung zu kaufen. Was viele Menschen besonders verärgert, ist, dass es zu großen Teilen das Geld der Regierung ist, das in den Wahlkampf des NRM fließt. Das entspricht der Logik eines Patrimonialstaats, der sich politische Gefolgschaft mit materieller Bezahlung einkauft.
Auch die Opec-Gruppe, die unter dem Mangobaum ihr Hauptquartier hat, scheint sich dieser Logik angeschlossen zu haben. Am Baum hängt ein Schild mit der Aufschrift »no cash no vote«. Die Oppositionsplakate, die sie daneben aufgehängt hatten, tauschten sie gegen Banner des NRM aus, als ihnen Geld geboten wurde. Ist die einst so autonome Organisation der Opec-Boys zu einer opportunistischen Gruppe geworden, die politische Gefolgschaft billig verkauft? Andere Gruppen haben das Geld abgelehnt und zeigen nach wie vor ihre Unterstützung für die Opposition.
Mit Blick auf die Geschichte der Opec-Boys scheint eine andere Erklärung einleuchtender: Sie sind politische Realisten, die sich der Grenzen ihrer Macht bewusst sind. Viele Mitglieder der Gruppe sind alt genug, um sich gut an die Zeiten von Kaku und dessen Verhaftung zu erinnern. Sie wissen, welchen Preis sie für die Unterstützung der Opposition bezahlen würden, und die Angst vor willkürlichen Verhaftungen ist allgegenwärtig. Nach drei verlorenen Wahlen schwindet die Hoffnung unter den Opec-Boys, dass eine demokratische Abwahl Musevenis wirklich möglich ist. Dagegen wissen die Opec-Boys, dass die Zeiten, in denen sie den Nationalstaat ignorieren konnten, vorbei sind. Die ugandischen Behörden ziehen ein immer engeres Netz um die Schmuggler, neue Tankstellen werden in Arua gebaut und machen es schwieriger, vom Benzinverkauf zu überleben. Mit der raschen Entwicklung im Süd­sudan und der damit verbundenen Nachfrage nach Lebensmitteln, Elektronikartikeln und Baustoffen tun sich aber viele neue Möglichkeiten für den Handel auf.

Mambo verkauft unter dem Mangobaum kein Benzin mehr, sondern handelt jetzt mit Holz, das er im Kongo einkauft und mit Lastwagen in den Südsudan bringt. Als nächstes will er in den Goldhandel einsteigen. Nicht alle Aktivitäten dieser Art sind illegal. Ob eine Ware geschmuggelt oder bei den Behörden verzollt wird, ist eine pragma­tische Entscheidung, die immer wieder neu gefällt wird. In der Zukunft, das wissen die Opec-Boys, kommen sie nicht mehr komplett um die Behörden herum. Die goldenen Zeiten, in denen sie Arua regierten, sind vorüber.
Die Entscheidung der Opec-Boys, für Museveni zu werben, hat also nur teilweise mit dem Bestechungsgeld der Regierung zu tun. Vielmehr geht es ihnen darum, sich mit den politischen Machthabern zu verbünden, die in ihren Augen ohnehin schon als Sieger der Wahlen feststehen. Die Aussage »no cash no vote« ist weniger eine Einladung, die Stimmen der Opec-Boys zu kaufen, als eine ironische Erinnerung daran, dass die Wählerschaft für die Person stimmt, von der sie sich Unterstützung erhofft.
Wenn man einige Zeit mit ihnen unter dem Mangobaum verbringt, wird klar, wie wenige unter den Opec-Boys wirklich das NRM unterstützen. Die meisten wissen, dass das NRM gewinnen wird – mit ihrer Stimme oder ohne sie. Auch Ismael konnte nicht lange verbergen, dass er nicht wirklich hinter dem NRM steht. Die NRM-Plakate unter dem Mangobaum erklärt er schließlich so, ohne jeden politischen Idealismus: »Wenn ich hungrig bin und es gibt Essen, dann muss ich essen. Wir Muslime sagen, dass du, wenn du in der Wüste kurz vor dem Verhungern bist, dann auch unreines Fleisch essen kannst.« Und Ismael meint weiter: »Wenn du aber in eine Stadt kommst, und dort gibt es reines Essen, dann sollst du das andere wieder rauswürgen.« Die Frage, inwieweit das NRM die Opec-Boys wirklich kaufen konnte, wird man ab Freitag beantworten können, wenn sie den Wahlzettel in der Hand halten.